: Schlögls Rücktritt gefordert
■ Österreichs Innenminister wegen Tod bei Abschiebung scharf kritisiert. Innenministerium ordnet vorerst Abschiebestopp an
Wien (rtr/AP) – Der österreichische Innenminister Karl Schlögl ist wegen des Todes eines jungen Nigerianers in Polizeigewahrsam in die Kritik geraten. Schlögl habe im Sinne der Menschenrechte versagt, sagte gestern Werner Amon, Menschenrechtssprecher der konservativen ÖVP, die gemeinsam mit der SPÖ die Große Koalition in Österreich bildet. Wie zuvor Politiker von Grünen und Liberalen forderte Amon den sozialdemokratischen Minister zum Rücktritt auf.
Amon warf Schlögl weiter vor, er brüste sich mit schärfsten Ausländergesetzen und einer restriktiven Asylpraxis, könne sich beim eigenen Apparat aber nicht durchsetzen und dafür sorgen, daß diese Gesetze menschenwürdig vollzogen würden. Grüne und Liberale erinnerten an einen ähnlich gelagerten Fall in Belgien im September vorigen Jahres. Damals war der belgische Innenminister zurückgetreten, nachdem eine Nigerianerin bei ihrer Abschiebung gestorben war.
Der Nigerianer Marcus O., der im September vorigen Jahres in Österreich ankam und sich vergeblich um Asyl bemühte, sollte am Samstag von Sofia nach Lagos geflogen werden. Die begleitenden Beamten hatten ihn an Händen und Füßen gefesselt und ihm während des zweistündigen Fluges nach Sofia den Mund mit Klebeband verklebt – laut Wiener Innenministerium, weil der 25jährige sich heftig gegen die Abschiebung gewehrt hatte. Nach der Landung in Sofia konnte ein Arzt nur noch den Tod von Marcus O. feststellen. Das Ergebnis der Obduktion, die von den bulgarischen Behörden angeordnet wurde, sollte gestern vorliegen.
Unterdessen hat Innenminister Schlögl angekündigt, daß vorerst keine weiteren Flüchtlinge aus Österreich ausgewiesen werden. Nach Angaben der Nachrichtenagentur APA ordnete der Innenminister eine Untersuchung des Abschiebungsverfahrens an. Dabei solle unter anderem die Notwendigkeit überprüft werden, Asylbewerbern bei der Ausreise künftig einen Beamten mit medizinischer Ausbildung an die Seite zu stellen.
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