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Indifferente Betrachtungen

Antrag zur Wehrmachtsausstellung: Rot-Grün ringt um Zustimmung der CDU. Heftige interne Kritik an weichen Formulierungen  ■ Von Sven-Michael Veit

Die Wehrmachtsausstellung treibt derzeit die Hamburger Bürgerschaft um. Hinter mehr oder minder verschlossenen Türen wird um einen gemeinsamen Antrag aller drei Fraktionen zu der schlagzeilenträchtigen und von der politischen Rechten heftig angegriffenen Ausstellung gerungen – was zu internen Debatten führte und führt. „Das wird ein Glanzstück“, kommentiert sarkastisch ein Volksvertreter, der bei dem Thema „nur noch genervt die Augen rollen kann“.

Dabei war das Ansinnen gut gemeint. Die rot-grünen Regierungsfraktionen würden gern zusammen mit der CDU „begrüßen“, daß die vom Hamburger Institut für Sozialforschung erarbeitete Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ bald erneut in Hamburg zu sehen ist. Erstmals 1995 auf Kampnagel gezeigt, kehrt sie nach knapp vierjähriger Tournee durch etwa 30 Städte an die Elbe zurück. Am 1. Juni wird sie in der Akademie der Künste am Klosterwall eröffnet.

Ein einstimmiger Parlamentsbeschluß in der Sitzung am 19. Mai wäre „ein gutes Signal, um der Unsachlichkeit den Boden zu entziehen“, glaubt eine einflußreiche SPD-Abgeordnete. Die Ausstellung „ist ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung über die Rolle der Wehrmacht in der Vernichtungspolitik der Nazis“. Auch Spitzengrüne finden es sinnvoll, „daß das Parlament in dieser Frage mit einer Stimme spricht“. Allerdings herrscht derzeit eher Verstimmung.

„Wir diskutieren diese Frage sehr lebhaft und kontrovers“, so CDU-Fraktionschef Ole von Beust. „Lange und intensiv“ haben die Unionsabgeordneten schon am Montag dieser Woche mit dem konservativen Publizisten und Ausstellungskritiker Rüdiger Proske gesprochen; erst am 17. Mai wird Hannes Heer, Leiter der Ausstellung, die Union von seinem Konzept zu überzeugen versuchen. „Danach werden wir unsere Haltung festlegen“, so von Beust, der keinen Grund zur Eile sieht. „Das Ergebnis ist völlig offen.“

Er selbst, gibt er zu, halte die Ausstellung für „nachlässig“ und in Teilen für „unwissenschaftlich“, auch gefielen ihm „bestimmte Teile des Rahmenprogramms“ keineswegs. Aber das „ist meine persönliche Ansicht“ und keine Vorabfestlegung der Fraktionsmeinung.

Dabei haben Rot und Grün der Union bereits alle potentiellen Hindernisse aus dem Weg geräumt. „Das ist so weich formuliert, da fällt mir gar nichts mehr zu ein“, sagt ein sozialdemokratischer Kritiker. Bei den Grünen wie in der SPD-Fraktion war der Entwurf des Antrages heftig umstritten. Etliche Abgeordnete verlangten eine „klarere Positionierung“ und weniger Rücksicht auf die CDU. Damit kamen sie jedoch nicht durch.

In der am vergangenen Montag abgesegneten rot-grünen Neufassung des Antragstextes fehlen deshalb lobende Worte für das umfangreiche Rahmenprogramm, das von der Wissenschaftsbehörde der grünen Bürgermeisterin Krista Sager und der Hamburger Universität initiiert wurde und von der Kulturbehörde gefördert wird. Darin treten als Veranstalter neben Volkshochschule oder Schauspielhaus auch die PDS, Antifa-Gruppen oder die angeblich kommunistische Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) auf.

Dafür wurden in den Antrag die Formulierungen aufgenommen, daß „zur Gesamtbeurteilung des Verhaltens deutscher Soldaten auch das wichtige Kapitel des Widerstands von Wehrmachtsangehörigen gegen Hitler gehört“ und daß „die Bundeswehr nicht in der Traditon der Wehrmacht steht, sondern ihre eigene demokratische und freiheitliche Tradition besitzt“. Das sei, heißt es in der SPD, „erforderlich im Sinne einer differenzierten Betrachtung des Themas“.

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