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„Ich bin kein Alliierter“

■ Im Polnischen Kulturinstitut sprach der Schriftsteller Andrzej Szczypiorski über das Polenbild der Deutschen, die „Dampfmaschine“ EU, den Krieg und sein neues Buch

Warum stehlen die Russen in Deutschland eigentlich immer zwei Autos? Damit sie zu Hause noch eins übrig haben, wenn sie auf dem Rückweg durch Polen fahren. Mercedes, Wodka und abstehende Ohren – das Polenbild der Deutschen ist längst festgelegt. „Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Wagen geklaut“, sagte der weißhaarige Mann auf dem geblümten Ikea-Sofa. Andrzej Szczypiorski, polnischer Schriftsteller und Unicef-„Botschafter des guten Willens“ sprach am Freitag abend in der Reihe „Der Club der lebenden Dichter“ zu dem Thema „Zwischen Literatur und Politik“.

Der Andrzej-Munk-Saal im Polnischen Kulturinstitut hatte noch nie so viele Gäste. Presse, Funk und Fernsehen waren angereist. Szczypiorski, Autor des Romans „Die schöne Frau Seidenmann“ (1986), warf dem Publikum vor, daß die Deutschen „ein bißchen zu wenig über uns“ wüßten. „Sie sollten sich mehr über die polnische Kultur informieren“, sagte er, und zwar auf deutsch.

Da hat er recht. Die Polen wollen nämlich nicht nur Autos, sie wollen in die EU. Eine Europäische Union ohne Warschau, Prag, Vilnius und Budapest ist für Szczypiorski keine „Dampfmaschine“ mehr. Die Osterweiterung bringe dem Westen eine neue „Philosophie des Lebens: eine geistige Weltsicht, in der „Euro, Spargelsuppe und Hummer“ nicht maßgebend sind. Das Klischee der wodkagetränkten osteuropäischen Seele läßt grüßen: Polen in der EU – individuelles Denken als „Mitgift für westliche Körperlichkeit“.

Die Moderatorin des Abends, Edith Heller, schien in ihrer Funktion etwas überfordert. Vier Fragen stellte die Warschauer Korrespondentin des Tagesspiegel und der Frankfurter Rundschau dem Autor, den Rest der zwei Stunden schwieg sie. Zeitgemäß interessierte sie die Haltung Szczypiorskis zum Kosovo-Krieg. Handke sei doch zum Beispiel in Belgrad. „Szczypiorski ist in Deutschland“, antwortete der Pole gelassen, „ich bin kein Patriot, kein Soldat, kein Alliierter, kein Clinton.“

Der Literat, der 1944 in das KZ Sachsenhausen interniert wurde, hält den Krieg für perfide und „heuchlerisch“. „Wir werden alle erst Moralisten, wenn es schon zu spät ist“, kritisierte das PEN-Mitglied das späte Engagement der Nato auf dem Balkan.

Ansonsten lehnte Szczypiorski Fragen nach der Politik ab: „Das ist für mich ein bißchen langweilig.“ Lieber spricht er über sich selbst und seine persönlichen Erfahrungen. Als Autor natürlich. Pünktlich zum Jahr 2000, in dem Polen Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse sein wird, hat er sein neues Buch, „Die Karwoche“, fertiggestellt. Darin gehe es, wie er gern erzählt, um Europa in den Neunzigern, um Polen, Deutsche und Russen. Ausgangspunkt des Romans sei eine Tagung berühmter Kunstsammler. Traum und Wirklichkeit vermischten sich in einer Abhandlung über Europa als Begriff der Tradition und des menschlichen Denkens. „Ohne uns wird das alte Europa nicht existieren“, sagte er und lehnte sich auf dem Ikea-Sofa zurück. Katja Hübner

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