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Bernadette allein mit Gott  ■   Von Ralf Sotscheck

Niemand singt in der Kirche besser als Mutter Bernadette. Und sie sieht schick aus in ihrem Priestergewand mit dem weißen Kragen. Freilich hat sie, was den Gesang angeht, gegenüber ihren Kollegen im Tridentiner-Orden einen Vorteil: Sie ist ein Profi. In ihrem bisherigen Leben hieß sie Sinéad O'Connor.

Neulich wurde sie in einem Hotelzimmer des französischen Wallfahrtsorts Lourdes von Bischof Cox ordiniert. Cox war früher Hafenpolizist in Dun Laoghaire bei Dublin. 1992 wurde er Tridentiner-Bischof – und umgehend exkommuniziert. Die Tridentiner sind eine Abspaltung von der katholischen Kirche, sie lesen ihre Messe in Latein mit dem Rücken zur Gemeinde, so wie es auch bei Katholiken üblich war, bis Papst Johannes XXIII. die Pfaffen wenden ließ.

Cox handelte allerdings nicht ganz selbstlos, als er Sinéad zur Bernadette machte: Die ehemals glatzköpfige Popsängerin aus Dublin hatte ihm 150.000 Pfund für eine Leistenoperation geschenkt, mit dem Rest sollte er ein „Heilzentrum für das fahrende Volk“ in Irland bauen. Ein anderer Tridentiner- Bischof, Pat Buckley, war empört: Es sei eine Sünde, wenn man sich ein heiliges Sakrament durch Bezahlung erschleiche.

Die Kritik ist O'Connor so nahe gegangen, daß sie umgehend ihr Geld von Cox zurückverlangte, damit „gar kein Zweifel an der Gültigkeit meiner Ordination“ aufkomme. Zur Sicherheit will sie sich gleich noch mal ordinieren lassen. Das „Heilzentrum“ soll nun in Lourdes gebaut werden, wo sie sich niedergelassen hat. „Die Fahrenden können ja auch dorthin kommen“, meint sie. Warum auch nicht, sie sind ja sowieso ständig unterwegs. Und Cox muß weiter von seinem Telefonservice leben: Für ein Pfund pro Minute können Kranke um Heilung bitten und Sünder beichten.

Direkt nach den Nachrichten, in denen O'Connors Läuterung bekanntgegeben wurde, lief im irischen Fernsehen ein Dokumentarfilm über „Sonderschulen“ in Irland, die überwiegend katholischen Orden unterstanden. Es war ein Horrorfilm. Jahrzehntelang haben die Kirchenmänner Kinder sexuell mißbraucht, körperlich mißhandelt und für medizinische Experimente vermietet. Das ganze Ausmaß der Folter mit Gottes Segen kommt jetztans Licht. Der Staat bezahlte die Schulen pro Kopf. In vielen Fällen haben die Pfaffen Babys und Kleinkinder einfach gekidnappt, wenn sie Geld brauchten und der Kirche die Mutter nicht paßte – zum Beispiel, wenn sie unverheiratet war.

Und diesem Haufen ist Sinéad O'Connor nun beigetreten. Dabei hat sie vor ein paar Jahren im US-Fernsehen noch ein Foto vom Papst zerrissen, was sie inzwischen bereut. Sie sei mißverstanden worden: „Es sollte keine respektlose Geste gegenüber Katholiken oder dem Papst sein.“ Was gibt es sonst für Gründe, öffentlich ein Papstbild zu zerfetzen?

Nun freue sie sich jedenfalls, endlich „allein mit Gott“ zu sein, und erwägt, ein dreijähriges Zölibatsgelübde abzulegen. Sie glaubt, die Jugend werde in Scharen in ihre Messe strömen. „Ich habe die Kirche wiedererweckt und ihr Leben gerettet“, prahlt sie. Ach Sinéad, das wäre nicht nötig gewesen. Hättest du sie doch abnippeln lassen. Ruf den Telefonbeichtdienst an und bitte um Vergebung!

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