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Sparkurs trifft (fast) alle

■ Eine „Horrorliste“ soll schon im Schreibtisch des Finanzministers liegen. Der läßt zwar dementieren, sagt aber, daß er den Rotstift auch bei Sozialausgaben zücken will

Bonn (rts) – Auf seinem radikalen Sparkurs macht Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) auch vor Sozialleistungen und Reformprojekten der Bundesregierung keinen Halt. Eichel kündigte an, auch den Sozialbereich nach Einsparmöglichkeiten zu durchforsten. Weiter befürwortete er eine Verschiebung der angekündigten Unternehmenssteuerreform um ein Jahr. Ob es mit der Reform zu der bislang angestrebten Nettoentlastung für die Wirtschaft kommen wird, stellte er in Frage. Unterstützung für seinen Sparkurs erhielt Eichel von Wirtschaftsminister Werner Müller. Beide sprachen von einem Haushaltsloch in Höhe von 80 bis 90 Milliarden Mark.

Im Spiegel kündigte Eichel Kürzungen des Bundeshaushaltes 1999 über die bereits angekündigten 30 Milliarden Mark hinaus an. Die 30 Milliarden Mark seien nur die Deckungslücke oberhalb der zulässigen Höchstverschuldung, die das Grundgesetz festlegt. „Ich will unter diese maximale Kreditaufnahme“, sagte Eichel. Der Finanzierungsbedarf im Haushalt liege bei „85 bis 90 Milliarden Mark, wenn wir nicht weiter die Investitionen durch Kredite finanzieren wollen“.

Der Sparauftrag gelte für alle Ressorts, sagte Eichel. Zwar bleibe die soziale Gerechtigkeit entscheidend. Gleichwohl würden auch die Sozialsysteme überprüft. Der Bunde gebe in diesem Jahr 200 Milliarden Mark für den Sozialbereich aus. Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums wies jedoch einen Bericht der Bild am Sonntag als „reine Spekulation“ zurück, wonach radikale Einschnitte etwa bei den Witwenrenten, der Kilometerpauschale oder den Feiertags- und Nachtzuschlägen geplant seien.

Die Haushaltskonsolidierung solle bis zum 30. Juni in einem Gesamtpaket geregelt werden. Wo konkret im Sozialbereich eingespart werde, sei bislang noch offen.

Zu Spekulationen, wonach geplant sei, die Mineralölsteuer um mehr als sechs Pfennig zu erhöhen, verwies der Sprecher auf den Koalitionsvertrag, der eine weitere Erhöhung zur Gegenfinanzierung der Senkung von Lohnnebenkosten festschreibe. Eichel plädierte zudem für eine Verschiebung der Unternehmenssteuerreform, mit der ein einheitlicher Steuersatz von etwa 35 Prozent inklusive Gewerbesteuer erreicht werden soll.

Kommentar Seite 11

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