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Ruhe, solange die Nato in Makedonien ist

Kosovo-albanische Flüchtlinge rebellieren gegen die Schikanen der makedonischen Polizisten. Sie fordern, daß diese durch Nato-Soldaten ersetzt werden. Trotz der Spannungen droht aber kein Bürgerkrieg  ■   Von Erich Rathfelder

Wütende Kosovo-Albaner protestierten gestern im Flüchtlingslager Brazda bei Skopje gegen die makedonische Polizei. Nachdem ein Kosovo-Albaner, der das Lager ohne Genehmigung verlassen wollte, von Polizisten vorübergehend festgenommen worden war, forderten rund 2.000 Vertriebene, die makedonischen Polizisten durch Nato-Soldaten zu ersetzen.

Die Proteste und das Vorgehen der Polizei spiegeln die wachsenden Spannungen im Vielvölkerstaat Makedonien, in dem über ein Drittel der Bevölkerung der albanischen Minderheit angehört, wider. Mit der Zuwanderung von kosovo-albanischen Vertriebenen könnte das bisher bestehende politische Bündnis zwischen den größten Parteien beider Volksgruppen in Gefahr geraten. Seit dem Herbst vergangenen Jahres ist in Makedonien eine Koalitionsregierung von makedonischen und albanischen Nationalisten an der Macht.

Die Flüchtlingsproteste richten sich gegen die scharfen Kontrollen, denen die Vertriebenen in den Lagern ausgesetzt sind. Hohe Zäune umgeben die Arreale, makedonische Polizei ist um alle Lager postiert. Nicht selten werden scharfe Hunde zur Bewachung eingesetzt.

Verwandte und Freunde, die Kontakte zu den Flüchtlingen aufnehmen wollen, werden von den Polizisten daran gehindert. Die in den überbelegten Lagern eingepferchten Menschen empfinden sich in Makedonien – anders als in Albanien, wo die Menschen ungehindert die Lager verlassen können – eingesperrt. „Viele haben während der Deportationen viel Grausames erlebt, und jetzt sind wir in einem Konzentrationslager gelandet“, klagt ein Vertriebener.

Nach Berichten der Flüchtlinge ist es bereits zu polizeilichen Übergriffen gekommen. Ein junger Albaner soll am vergangenen Mittwoch zu Tode geprügelt worden sein.

Die Befehlston der Makedonier, das ständige „Hajde, hajde, pikka materina,“ (Vorwärts, vorwärts, bei der Fotze deiner Mutter) beleidigt die Insassen nicht nur, er erinnern sie zudem an den der serbischen Polizisten jenseits der Grenze, den sie zur Genüge kennen. Hintergrund für die scharfe Bewachung ist die Befürchtung, antialbanischen Ressentiments der makedonischen Mehrheitsbevölkerung könnten angeheizt werden, wenn die Vertriebenen allzu sichtbar sind.

Die Regierung Gregorjevski, die sich hauptsächlich auf die „Innermakedonische Revolutionäre Organisation“ (VMRO) stützt, bleibt zwar bei ihrem prowestlichen Kurs, kann sich jedoch über die nationalistische Welle unter Teilen der Bevölkerung nicht hinwegsetzen. Die VMRO und ihre Wähler sind zwar traditionell antiserbisch eingestellt – das Königreich Jugoslawien herrschte hier in den zwanziger und dreißiger Jahren mit brutaler Gewalt –, seit den Bombenangriffen der Nato gegen Jugoslawien versuchen die Oppositionsparteien aber, mit panslawischen, proserbischen Parolen die Regierung unter Druck zu setzen.

Nach Ansicht von Regierungsmitgliedern versuchen zudem jugoslawische Geheimdienste vor Ort, die Lage in Makedonien zu destabilisieren. Deshalb versucht die Regierung alles, um westliche Länder dazu zu bewegen, größere Kontingente von Flüchtlingen aufzunehmen.

Mit den scharfen Kontrollmaßnahmen in den Lagern wird nach Ansicht von Mitarbeitern internationaler Hilfsorganisationen das Ziel angepeilt, möglichst viele Vertriebene nach Albanien abzuschieben. Jeden Tag werden schon jetzt Hunderte von Menschen nach Albanien verfrachtet.

Über 100.000 Flüchtlinge wurden in den albanischen Siedlungsgebieten, die auf dem östlichen Staatsgebiet mit Zentrum Tetovo liegen, von albanischen Familien aufgenommen. Jedoch sind die Kapazitäten erschöpft, so daß die Flüchtlingslager weiter notwendig bleiben. Beide Seiten zeigen zwar gegenseitiges Verständnis, bei einer weiteren Eskalation in Verschärfung der Situation könnte jedoch das Regierungsbündnis platzen.

Angesichts der Nato-Truppen im Lande sind gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen allerdings unwahrscheinlich. Die Angebote der Nato, Makedonien in die westliche Allianz zu integrieren und die Versprechungen westlicher Politiker, die Türen für den Beitritt in die EU zu ebnen, sind Zuckerbrot für die Regierung. Angesichts des wirtschaftlichen Niedergangs – Makedonien hat mit dem Krieg den existentiell wichtigen serbischen Markt verloren – müssen jedoch den Versprechungen bald auch Taten folgen.

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