: Ausschlafen wird nicht geduldet
■ Der Umzugsbeauftragte Franz Müntefering schickt die 2.500 Bonn-Berlin-Pendler um 9 Uhr in Berlin zum Dienst. Forderung nach späterem Arbeitsbeginn wurde nicht erfüllt
Die arbeitende Bevölkerung der Stadt erhält ab September jeden Montag morgen in öffentlichen Verkehrsmitteln Regierungsbegleitung. Denn ebenso wie die Berliner müssen die Beamten des Bundes, die künftig zwischen den Wohnorten am Rhein und der Arbeit an der Spree pendeln, pünktlich um 9 Uhr an ihren neuen Schreibtischen sitzen. Insbesondere in den Bussen, U- und S-Bahnen aus Richtung Tegel wird es um diese Zeit eng.
Um die im Bonn-Berlin-Gesetz festgeschriebene „Arbeitsfähigkeit von Parlament und Regierung zu gewährleisten“, hat der Umzugsbeauftragte, Bundesbauminister Franz Müntefering, am Montag entschieden, daß 85 Prozent aller Berliner Mitarbeiter frühmorgens im Büro sitzen müssen. Für rund 2.500 Pendler steht damit fest, daß nicht, wie von der parlamentarischen Sozialkommission gefordert, der Dienst am Arbeitsplatz erst am Mittag begonnen werden kann.
Es sei beschlossen, daß kein Pendlerzug erst am Montag morgen in Bonn starte, sagte der Staatssekretär im Bau- und Verkehrsministerium, Matthias Machnig gestern. Statt dessen habe das Ministerium von September an zwei ICE-Sprinter-Züge mit jeweils 736 Plätzen am Sonntag abend nach Berlin gechartert. „Für die übrigen Pendler stehen montags Plätze in Flugzeugen zur Verfügung.“ Die Kosten der Reisen, für die einfache Bahnfahrt 99 Mark und den Flug rund 200 Mark, trage der Bund.
Nach der jetzigen Schätzung im Bauministerium wird die Zahl der Pendler im November und Dezember 1999, wenn weitere Ministerien vollständig nach Berlin umgezogen sind, auf 3.500 steigen. Aus den Ministerien werden insgesamt 6.800 Mitarbeiter in Berlin arbeiten, zunächst sind es aber nach Machnigs Angaben 4.000.
Im Bereich des Bundestags ziehen zunächst 4.060 Personen um, darunter auch die 669 Parlamentarier. Die Pendlerregelung gilt für 24 Monate, die Kosten werden auf rund 150 Millionen Mark geschätzt.
Die Personal- und Sozialkommission des Bundestages kritisierte die Entscheidung als arbeitnehmerfeindlich. Bereits in der vergangenen Woche hatten die Sozialräte gefordert, einen der Pendlerzüge erst am Montag morgen fahren zu lassen, damit die Mitarbeiter zu „angemessenen und sozial vertretbaren Zeiten“ reisen könnten. Beklagt worden war unter anderem die späte Ankunft eines Pendlerzuges nach Mitternacht in Berlin. Außerdem war diskutiert worden, die Reisezeiten auf die Arbeitszeit anzurechnen. Neben dem Dienstbeginn am Montag mittag sollte deshalb vier Tage später, am Freitag um 13 Uhr Dienstschluß sein.
Machnig wehrte sich gestern gegen Kritik an den späten Ankunftszeiten der Züge. Die späte Abfahrt sei auf vielfachen Wunsch der Mitarbeiter in den Ministerien festgelegt worden, sagte Machnig. Rolf Lautenschläger
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