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Müll jetzt in aller Munde

Eine Werbekampagne der Berliner Stadtreinigung macht die Stadt zwar nicht sauberer, doch das Unternehmen sexy und eine regionale Werbeagentur bekannt. Nur der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache und ein Model sind nicht glücklich damit  ■   Von Barbara Bollwahn de Paez Casanova

Endlich hat Berlin richtige Saubermänner. Die neuen Stars sind aber keine Christdemokraten, die die Stadt seit Jahren vergeblich hauptstadtreif sauberfegen wollen. Es handelt sich vielmehr um einen rundlich sympathischen Mann mit Ziegen- und Oberlippenbärtchen und einen smarten Blonden. Unter dem Slogan „Wir bringen das in Ordnung“ werben sie seit einigen Wochen als Straßenfeger, Ordnungshüter, Räumfahrer und Öffentlichkeitsarbeiter für die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR).

Während die Stadt vorher nur über den Müll sprach, in dem sie zwar nie versank, den sie aber zu einem ihrer Lieblingsthemen erkoren hat, wird der Dreck jetzt gesellschaftsfähig. Das Image der 7.300 Mitarbeiter der Stadtreinigung, das trotz des knallorangenen Outfits noch farblos war, wurde jetzt aus dem Dunkel der Mülltonne geholt und hauptstadtreif gemacht.

Dieses Kunststück ist durch eine Werbekampagne gelungen, die keine Sprüche klopft, sondern gute Sprüche macht. Der wohl beste Spruch: „We kehr for you“. Auch „Drei Wetter tough“, ein Motiv, auf dem der Ziegenbartträger in drei saisonbedingten Arbeitskleidern posiert, und „Saturday Night Feger“, auf dem er, den Bauch und das rechte Bein keck nach außen gestreckt, den absoluten Straßenfeger mimt, sind nicht von schlechten Werbeeltern. Und „Dirty Harry“ muß erwähnt werden, ein Hündchen mit computervergrößerten Augen und manipuliertem Lächeln ums Maul, das das eine oder andere Frauchen und Herrchen dazu bewegen soll, die Hinterlassenschaften ihrer Lieblinge wegzuräumen.

Die Kampagne macht die Stadt zwar nicht sauberer, doch seltsamerweise hat alle Welt den Eindruck, als sei das so. „Jetzt ist die BSR in aller Munde“, freut sich auch Pressesprecherin Sabine Thümler. Endlich würden die 7.300 Mitarbeiter und ihre Arbeit wahrgenommen.

Auch die Werbeagentur, die die Kampagne konzipiert hat, die Heymann & Schnell AG, ist nun über die Grenzen der Stadt bekannt. „Wir haben zwar mit einer guten Resonanz gerechnet“, sagt Geschäftsführer Peter Schnell, „doch nicht mit so einer überwältigenden“. Zu guter Letzt wurde ihre Idee vor wenigen Tagen vom internationalen „Jahrbuch der Werbung 1999“ als beste Kampagne ausgezeichnet.

Weil Werbung mit Realität sowenig wie Müll mit Sauberkeit zu tun hat, sind die beiden Hauptdarsteller der Kampagne, die „Müllis“, wie sie in der Agentur liebevoll genannt werden, natürlich keine BSR-Mitarbeiter. Der nicht ganz so schlanke, aber nicht minder sexy Typ ist Illustrator und hat mal bei der Werbeagentur „Heymann & Schnell“ gearbeitet. Man erzählt, daß er den Auftrag umsonst gemacht haben soll. Der andere zahlt seine Müllgebühren, die die BSR am 1. April zum Teil deutlich gesenkt hat, von seinen Honoraren als Model und heißt Matz Ciupka. Bevor er sich dem Müll verschrieben hat, hat er Werbung für RTL, Cabinett-Zigaretten, Coca-Cola und die Hamburg-Mannheimer gemacht. Das Modeln macht Ciupka nur zum Geldverdienen. Vielmehr hängt sein Herz an der Fotografie und Schreiberei. Der 30jährige hat im Eigenverlag mehrere Bücher herausgegeben und auch schon den einen oder anderen Preis dafür bekommen.

Die BSR-Kampagne findet auch er gut. Angst vor einem „Müllmann-Image“ hat er nicht. Es habe zwar Leute gegeben, die froh gewesen seien, den Job nicht bekommen zu haben, sagt er. Doch für ihn sei entscheidend gewesen, daß die Kampagne „gut“ sei. Einzige Nachwirkungen für ihn seien der eine oder andere stutzige Blick von wahren Müllmännern, die ihn anschauen, als würden sie ihn kennen. Doch trotz des Lobes für die Kampagne ist Ciupka „stinkig“. Denn seit zwei Monaten wartet er auf sein Honorar. „Ich hoffe, daß die BSR-Leute pünktlicher bezahlt werden“, sagt er.

Wie das so ist in der ehemals geteilten Stadt, es herrscht nicht überall eitel Sonnenschein. Der Spielverderber in diesem Fall ist der Verein zur Wahrung der deutschen Sprache e.V., der mit der jährlichen Verleihung eines „Sprachpanschers“ gegen das „Pidgin“-Deutsch vorgeht. Der 1997 gegründete Verein, dessen etwa 6.000 Mitglieder sich die „Erhaltung der sprachlichen und kulturellen Vielfalt Europas“ auf die Fahnen geschrieben haben und sich „in dem ewigen Fluß der Sprache als Anwalt der deutschen Sprache“ sehen, haben eine „zwiespältige Haltung“ zu der BSR-Kampagne.

Der Berliner Regionalbeauftragte Hermann H. Dieter findet die Werbung zwar witzig, doch an dem Einfluß von Anglizismen auf die deutsche Sprache stößt sich der 54jährige gewaltig. Besonders hart trifft es den Toxikologen, der nicht verrät, an welchem Bundesinstitut er tätig ist, daß die besten Sprüche der Kampagne die englischen sind. „Warum sind die nicht auf deutsch?“ fragt Dieter. Je mehr Anglizismen, so seine Befürchtung, um so sprachloser würden die Menschen. Dieter wäre kein wahrer Sprachhüter, wenn er nicht Alternativen parat hätte. So schlägt er der BSR vor, die die Kampagne auf zwei bis drei Jahre angelegt hat, wie es auch auf deutsch ganz lustig sein kann. „Bekehrte Kunden“ zum Beispiel.

Die Berliner Regionalgruppe, die etwa 200 Mitglieder zählt, hält sich mit ihrer Kritik nicht zurück. Wie schon in den vergangenen Monaten, in denen sie gegen die Berliner Filialen der Firma „Strauß innovation“ – zu deutsch Strauß Erfindung, gegen Peek & Cloppenburg und C & A zu Felde gezogen ist, greift sie auch die BSR, die Werbeagentur Heymann & Schnell und Berliner Bezirksbürgermeister an. Sie alle werden mit Gesprächen und offenen Briefen beglückt.

Die Bezirksbürgermeisterin von Hohenschönhausen, Bärbel Grygier (PDS), hat jedoch statt mit der Weitergabe des offenen Briefes mit einem Antwortschreiben an den Verein reagiert. Der kommt zwar mit wenigen Anglizismen wie „Promotion“ und „Vereins-PR“, ist jedoch trotzdem ziemlich heavy. „In meinem Hause wurde der Verdacht geäußert“, schrieb sie vor wenigen Tagen, „Ihr Verein habe diesen Protestzug nur deshalb auf das Gleis gesetzt, um dann als Trittbrettfahrer mitzureisen.“ In astreinem Deutsch teilt sie dem Verein ihre Meinung mit: „Die äußere Form der Schreiben Ihres Vereins mutet an, als wären diese, angefangen beim unsäglichen Briefbogen, von einem in bescheidenen intellektuellen Verhältnissen aufgewachsenen amusischen Sechsjährigen gestaltet worden, der seinen Spielkameraden stolz demonstrieren will, was sein Schulanfänger-Computer zu leisten in der Lage ist.“ Doch es kommt noch besser: „Das Ergebnis ist, um es polemisch in der Sprache Ihres offenen Briefes zu sagen, der Griff in das Trockenklo der Typographie. Vielleicht bringen Sie das bei Gelegenheit schadensbegrenzend in Ordnung. In diesem Sinne: Schwamm drunter!“

Das ist starker Tobak für Hermann H. Dieter. Er fühlt sich und seinen Verein „übel angemacht“. Auf die angekündigte „ironisch-witzige“ Antwort der Troublemaker darf man gespannt sein.

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