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Press-SchlagIn Ottos Schuhen

■ Der Rehhagel-Schüler Thomas Schaaf hat Werder Bremen reanimiert. Wie das?

Es war nicht besonders schwierig, Werders neuen Cheftrainer Thomas Schaaf nach dem Schalke-Spiel zu lokalisieren. Überall dort, wo Applaus aufbrandete, konnte nur er sich gerade seinen Weg durch die erleichtertenBremer Fans bahnen. Es hatte alles gepaßt, Dienstag abend im Weser-Stadion. Schaaf, der in 262 Bundesligaspielen für Werder sowohl den Fußballarbeiter abgab als auch ein bißchen etwas von Flankengott mitbrachte, wechselte in der zweiten Halbzeit den von ihm an die Bundesliga herangeführten Zögling Christoph „Barry“ Dabrowski ein. „Barry, du machst heute dein Ding“, hatte der ehemalige Amateurtrainer seinem ehemaligen Amateurspieler mit auf den Weg gegeben, „du bis heute dran.“ Neun Minuten später hatte Dabrowski das 1:0 gemacht. Schon liegt man drei Punkte vor Bochum und einem Abstiegsplatz.

Schwupps, so einfach scheint das zu sein. Und ist es doch nicht. Warum hat Dabrowski nicht schon getroffen, als ihm der Übungsleiter a. D., Felix Magath, brachte? Vielleicht, weil ihn dieser zwar nominierte, aber nicht unbedingt motivierte. Es soll jedenfalls einige unter den Bremer Spielern gegeben haben, bei denen sich Schweißperlen auf der Stirn bildeten, wenn Magath sie nur angesprochen hatte.

Thomas Schaaf hatte dann auch folgerichtig Verkrampfungen und gar Ängste in der Mannschaft ausgemacht. „Die galt es zu lösen.“ Er wolle, daß „die Mannschaft wieder Spaß und Freude“ habe. Sieh da, Spaß und Freude. Begrifflichkeiten, die bei seinem Vorgänger auf dem Index standen. „Spaß und Freude, sich zu verausgaben“, setzte Schaaf hinterher. Keine Späßeken.

Der Fußballehrer Thomas Schaaf (38) nimmt seinen Job ernst. Er nimmt aber auch seine Spieler ernst. Natürlich spricht Schaaf mit der Presse: „Weil es wichtig für den Verein ist. Aber davon rollt noch kein Ball“, sagt er. Aber über eins redet er eben nicht: Über die Schwächen seiner Spieler. Das ist die alte Schule, die des großen Lehrers Otto Rehhagel.

Wenn Schaaf allerdings etwas überhaupt nicht leiden kann, dann ist es der Vergleich mit seinem alten Maestro. Und doch muß er ihn sich gefallen lassen. Die Kunst, seine Spieler stark zu machen, indem er sich bedingungslos hinter sie stellte, hatte zuletzt Rehhagel in Bremen beherrscht. Auch der hat den damals namenlosen Neubarths, Völlers oder Riedles ins Ohr gezischelt, daß sie die Besten seien.

Manager Willi Lemke hat rückblickend auf die vier Trainerflops der Post-Rehhagel-Ära gemutmaßt: „Otto hat hier Schuhe mit Schuhgröße 65 hinterlassen.“ Aber vielleicht hat ja Thomas Schaaf als Spieler Rehhagels schon heimlich einmal dessen Schlappen probiert.

Auch wenn er an der Seitenlinie ähnliche Veitstänze wie Rehhagel aufführt, hinterher wird es schlicht-fachlich: „Das war ein kleiner Schritt. Kein Grund irgendwelche Tänze aufzuführen“, sagte er in die neue Bremer Euphorie hinein.

Aber es wird doch jetzt alles gut? Sagen wir so: Morgen muß man zu 1860. Die Antwort wird also im Olympiastadion gegeben. Sven Bremer, Bremen

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