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Sprachlos im Zentrum der Fusion

■ Brauchen die Industriestaaten ein gemeinsames Kartellrecht? Nein, sagen EU und USA. Doch, meint der deutsche Kartellamtschef

Berlin (taz) – Jede Zeit hat ihre Mode – auch bei den Unternehmensstrategien. In den Vorstandsetagen der multinationalen Konzerne ist derzeit die Verschmelzung mit ehemaligen Konkurrenten modern. In Deutschland haben sich im vergangenen Jahr allein 296 Aktiengesellschaften mit dem Rekord-Unternehmenswert von 478,7 Milliarden Mark zusammengeschlossen oder gegenseitig aufgekauft. Weltweit haben Unternehmen im Wert von 2,1 Billionen US-Dollar fusioniert – sechsmal so viel wie 1992.

Dieser Trend wird Europa in den nächsten zehn Jahren umwälzen. Denn durch den gemeinsamen Markt und die gemeinsame Währung der EU-Staaten stehen die Unternehmen unter Druck. „Wenn Industrien sich nicht selbst restrukturieren, werden Geschäftemacher und Kapitalanlagefirmen es für sie tun“, sagt John Hepburn, Vizechef der Investmentbank Morgan Stanley. 1999 werden europäische Unternehmen im Wert von über einer Billion Dollar fusionieren, schätzen Investmentbanker. Das sind zehn Prozent des EU-Bruttosozialprodukts.

Allein die schiere Größe der neuen Megakonzerne beunruhigt: Arbeitnehmer fürchten um ihre Arbeitsplätze, Konkurrenten um ihren Marktanteil, Gewerkschafter und Politiker um ihren Einfluß. Und die Wettbewerbshüter sehen den Wettbewerb in Gefahr.

250 Kartellwächter aus den USA, den EU-Staaten und von den Kartellbehörden Lateinamerikas, Asiens und Afrikas haben in dieser Woche auf der 9. Internationalen Kartellkonferenz in Berlin über „Megafusionen – eine neue Herausforderung für das Kartellrecht?“ diskutiert. Die Antwort: Ein bißchen schon, aber eigentlich ist alles gut.

Da die meisten internationalen Fusionen innerhalb der EU oder zwischen europäischen und US- amerikanischen Unternehmen stattfinden, hätten die Kartellbehörden der EU und der USA die Lage im Griff. Das erklärten jedenfalls die einflußreichsten Wettbewerbswächter der Welt: EU- Kommissar Karel van Miert und Joel Klein, Chef der Antitrust Division im US-Justizministerium. Beide tauschen bereits vor einer anstehenden Fusion ihre Informationen aus und stimmen ihre Erkenntnisse ab. Zudem stärke das Kooperationsabkommen zwischen den USA und der EU von 1998 ihre Arbeit – das allerdings spart Fusionen ausdrücklich aus.

„Die Synergien aus der bilateralen Zusammenarbeit sind mehr als die Addition der unilateralen Kompetenz“, sagte van Miert und stellte damit klar, daß er von einer Weltkartellbehörde nichts hält. Ein Wort, das die meisten Teilnehmer ohnehin zu vermeiden suchten – Weltkartellbehörde klingt nach Bürokratie und Regulierung, nicht nach freiem Wettbewerb. Und nur dieser wird die in Europa notwendige Strukturanpassung vorantreiben. „Je länger die Anpassung unterbleibt, desto härter wird der Strukturwandel“, sagte Jürgen Schrempp, Vorstandschef von DaimlerChrysler.

Und so könnten „internationale Megafusionen durchaus im nationalen Interesse“ liegen, betonte der deutsche Wirtschaftsminister Werner Müller. Nur wer wettbewerbsfähig ist, überlebt. Und das seien die Unternehmen mit viel Geld für Forschung, Entwicklung und Innovationen. Er sehe derzeit keine „Gefahr, daß Fusionen zur Entstehung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungen führen“. Eine Ansicht, die die Kartellamtswächter nicht teilen.

Aber auch die Skeptiker der Konzentration wollen allenfalls multilaterale Abkommen und die Welthandelsorganisation WTO um eine Kartellabteilung erweitern, keinesfalls jedoch eine Weltkartellbehörde. „Das ist doch auch nur eine Diskussion unter Beamten und Wissenschaftlern“, wehrte David Braun, Unternehmeranwalt aus Chicago ab. Die einen wollten eine große Behörde, die anderen verspielten sich in wissenschaftlichen Theorien. Allein die Hälfte der WTO-Mitgliedsstaaten habe gar kein Kartellamt oder eins, das den Namen nicht verdient. Wie sollten also solche Staaten mit den hochentwickelten Wettbewerbsrechtlern der USA, Europas oder Japans verhandeln? „Für eine Weltkartellbehörde sind wir nicht reif“, sagte auch Joel Klein zur taz. Es gebe kein Personal, keine rechtliche Durchsetzungsfähigkeit, und die WTO sei „zu kraftlos“.

Worte, die Müller in den Ohren klingen. Bilaterale Verträge könnten hilfreich sein, auch multilaterale Abkommen über die WTO. Aber eine Weltkartellbehörde steht auch für ihn „nicht zur Diskussion“. Fusionen, sagte er, solle man „sich nicht in den Weg stellen“. So sah sich der deutsche Kartellamtspräsident Dieter Wolf zumindest in einem bestätigt: „Die Sprachlosigkeit von Regierungen gegenüber internationalen Konzentrationen.“ Ulrike Fokken

„Fusionen“, sagt der Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, „soll man sich nicht in den Weg stellen“

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