: Überraschungen sind nicht ausgeschlossen
Heute wird in der Slowakei ein neuer Präsident gewählt. Drei Kandidaten stehen zur engeren Wahl. Ein „schlauer Fuchs“, eine Schauspielerin und ein „Verrückter“, wie manche Wähler glauben ■ Aus Bratislava Elke Hagenau
Vladimir Meciar, Vorsitzender der Bewegung für eine demokratische Slowakei (HZDS) und Premierminister von 1994 bis 1998, ist noch immer für Überraschungen gut. Nachdem er im letzten Jahr nach der Wahlniederlage seiner Partei erst drei Tage spurlos verschwunden war und sich dann mit den Worten: „Ich gehe mit Gott ...“ von der politischen Bühne verabschiedet hatte, tauchte er unerwartet, aber dafür gewohnt salbungsvoll bis aggressiv wieder auf. Der einst mächtigste Mann der Slowakei will Präsident werden, und er weiß auch, wie. In seinem Wahlwerbespot betet er ein altes, ganz in Schwarz gekleidetes Mütterchen an. Vor allem die Leute auf dem Land rührt das an. Weniger gefühlvoll zeigte er sich letzte Woche, als seine Männer brutal auf TV-Journalisten losgingen, die einen seiner Wutausbrüche auf einer Wahlveranstaltung filmten.
Laut Umfragen liegt Meciar mit 25,8 Prozent an zweiter Stelle, hinter dem Bürgermeister von Kosice, Rudolf Schuster, mit 33,9 Prozent und vor der ehemaligen Schauspielerin Magda Vasaryova mit 19,3 Prozent. Michal Kovác, der letzte Präsident, zog am Dienstag seine Kandidatur zurück. Ihm wurden, wie auch dem Vorsitzenden der nationalistischen SNS, Jan Slota, kaum Chancen eingeräumt. Alles deutet darauf hin, daß Meciar und Schuster das Rennen unter sich ausmachen werden. Dann müßten sie sich in zwei Wochen einer Stichwahl stellen.
Zum ersten Mal können die Slowaken ihren Präsidenten direkt wählen. Angesichts wachsender Arbeitslosigkeit und steigender Preise hält sich jedoch das Interesse, Demokratie zu üben, in Grenzen. „Diese Kasper“, sagt Martina, Studentin aus Bratislava, „bekommen von mir keine Stimme. Da ist nicht einer dabei, den ich als Präsidenten haben möchte.“ Auch der Wirt einer Weinstube, der vor der Wende als Finanzökonom arbeitete, wird nicht zur Wahl gehen: Schuster sei nur ein schlauer Fuchs, Vasaryova eine Schauspielerin und Meciar verrückt.
Seit Magda Vasaryova von sich selbst behauptet haben soll, ihr wären auf jeden Fall die Stimmen aller älteren Männer sicher, sinkt ihr Ansehen. „Eine Frau von diesem Format würde unserem Land nach der absoluten Isolation unter Meciar guttun“, meint ein Kenner der slowakischen Politikszene. „Aber leider überschätzt sie sich. Sie spricht weder sieben Sprachen, wie sie behauptet, noch ist sie Expertin für Außenpolitik. Sicher kann sie sich in sieben Sprachen verständigen, und natürlich ist sie die Gründerin der Gesellschaft für Außenpolitik, doch die Experten sind andere.“
Magda Vasaryova kommt zwar als einzige der vier Spitzenkandidaten ohne eine kommunistische Vergangenheit daher, aber mit der leben eben viele in der Slowakei. Die 50jährige ist bekannt durch ihre Filme. International machte sie sich als Botschafterin in Österreich einen Namen, und jetzt möchte sie als „ehrliche Slowakin“ die Wähler gewinnen.
Ganz anders Rudolf Schuster: Der 65jährige Karpatendeutsche steht trotz seiner kommunistischen Karriere – zuletzt war er Parlamentsvorsitzender – für eine moderne und multikulturelle Slowakei. Schuster will das Land zurück nach Europa bringen und in die EU und die Nato integrieren. Als Bürgermeister von Kosice hat er die ostslowakische Industriestadt erblühen lassen. Die vier Millionen slowakischen Kronen, die er wie alle anderen Kandidaten für die Wahlwerbung bekam, hat er Krankenhäusern und Kindereinrichtungen gespendet.
Die Anhänger des Ex-Premiers Meciar wollen dagegen einen starken Mann. Es habe sich so viel geändert, stöhnen vor allem die alten Menschen in den Bergdörfern. Bislang war Meciar jedes Mittel recht, um seine selbstherrliche Position auszubauen. Oft genug beschwerte sich Michal Kovác als Präsident bei verwunderten Amtskollegen, wie ihm Meciar zusetze. Bis heute ist nicht geklärt, ob die mysteriöse Entführung von Kovác' Sohn nach Österreich 1995 die Idee des Ex-Premiers war. Fest steht, daß der nun in Haft sitzende Ex-Geheimdienstchef Ivan Lexa in die Sache verwickelt ist. Meciar beteuert dessen Unschuld, und so kann man sicher sein: Als Präsident würde er alles versuchen, ihn wieder auf freien Fuß zu setzen. Doch noch mehr fürchtet die neue Regierung, daß sie mit Meciar als Präsidenten wieder in die politische Isolation gedrängt werden könnte. Finanzministerin Brigita Schmögnerova sagte kürzlich, ausländische Investoren würden ihre Offerten vom Wahlausgang abhängig machen.
Die Slowakei hat die fremden Geldgeber bitter nötig. Der Durchschnittslohn liegt bei umgerechnet 390 Mark, die Arbeitslosigkeit bei 17,4 Prozent. Die Privatisierung à la Meciar, der Betriebe an Getreue so gut wie verschenkte, ist gescheitert. Doch im Kampf um die Präsidentschaft werden solche Themen ausgespart. Die favorisierten Kandidaten setzen allein auf ihre Person. Und da Meciar immer für Überraschungen sorgt, glauben viele, daß der Kampf noch nicht zugunsten von Schuster entschieden ist. Andere meinen, mit der Kandidatur des erneut gewählten Vorsitzenden der HZDS hätten die Parteigänger nur eines sagen wollen: Niemand anders als Meciar soll für Meciar verlieren.
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