piwik no script img

Drei Japaner im Whiskyfaß    ■ Von Ralf Sotscheck

Es war schon immer mein Traum, einmal in einem Whiskyfaß zu sitzen. Dieses ist jedoch leer und rollt, elektrisch angetrieben, auf Rädern durch die Hallen des schottischen Whiskyzentrums in Edinburgh: 300 Jahre Whiskygeschichte in 15 Minuten.

Es beginnt 1687. Die erste Station ist ein düsteres Zimmer einer strohgedeckten Hütte auf einer Hebriden-Insel. Aus dem Inneren meines Fasses ertönt eine Stimme vom Band, die mir erklärt, daß die Kleinbauern damals ihre Pacht mit Whisky bezahlt haben. Der Bauer, eine Plastikfigur in zerfetzter Kleidung, sitzt vor seiner Destille, das künstliche Torffeuer in der Kaminattrappe strömt künstlichen Brandgeruch aus. Vor dem Kamin liegt eine staubige Katze, in der Ecke sitzt ein Japaner. Ein Japaner? In wattierter Jacke und Turnschuhen? Da haben sich die Whiskygeschichtler aber einen bösen Schnitzer erlaubt.

Als ob er meine Gedanken erraten hätte, steht der Japaner plötzlich auf, und mir stehen die Haare zu Berge. Zwei seiner Landsleute kommen hinter den Kulissen hervor, die drei setzen sich in mein Nachbarfaß. Sie sind sternhagelvoll, obwohl auch ihr Faß leer ist. Sie seien in der Bar des Whiskyzentrums einer schottischen Gesellschaft von Whiskyliebhabern beigetreten, erklärt mir einer der drei jungen Männer. Für fünf Pfund Jahresbeitrag erhält man vier erlesene Malzwhiskys. „Allemal billiger, als wenn man die Getränke einzeln gekauft hätte“, lallt er. „Und nach der ersten Runde im Whiskyfaß sind wir nochmal beigetreten, weil die Barleute inzwischen Schichtwechsel hatten.“

Wir sind, was die Whiskygeschichte betrifft, beim englisch-französischen Krieg angekommen, der auf englischer Seite durch eine Erhöhung der Whiskysteuer finanziert wurde. Das führte zu einem Aufschwung der Schwarzbrennerei in den Stichtälern der schottischen Highlands. Die Japaner versuchen, der Schwarzbrenner-Attrappe die Flasche zu entwenden, springen aber erschreckt zurück ins Faß, als ein Blitz den Raum erhellt. Das Kunstgewitter soll jedoch die kriminellen Aktivitäten des Schwarzbrenners, und nicht der Japaner, untermalen.

Hinter der nächsten Kurve liegt das Jahr 1822. Damals hat König George IV. die schottische Hauptstadt besucht. Die Freude und der Stolz darüber waren in Edinburgh so groß, daß die Männer fortan wieder Röcke trugen und Unmengen Whisky tranken, erklärt die Faßstimme. Die Japaner vernehmen es rauchend: „Wir haben die beiden Grundregeln des Whiskytrinkens gelernt: Trinke niemals Whisky ohne Wasser, und trinke niemals Wasser ohne Whisky.“

Im letzten Raum geht es um den Siegeszug des schottischen Nationalgetränks in diesem Jahrhundert. Auf einem Podest steht ein älterer Japaner mit einem Whiskyglas in der Hand. Der Vater der drei Saufbrüder etwa? Nein, es ist eine Puppe – zur Illustration, daß man auch in Fernost Whisky trinkt. Das hatten die drei jungen Männer bereits eindrucksvoll bewiesen.

Am Ende der Fahrt leuchtet oben an der Wand ein Schild: „Während der Viertelstunde, die ihre Faßtour gedauert hat, sind weltweit 164.000 Flaschen schottischen Whiskys verkauft worden.“ Die drei Japaner beschließen, diese Bilanz umgehend zu verbessern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen