Asyl-Poker um Kurden-Familie

■ Das umstrittene Kirchenasyl im ostfriesischen Warsingsfehn entwickelt sich zum Skandal / Trotz Duldung durch den Landkreis droht einer kurdischen Familie jetzt die Abschiebung

Spielt der Landkreis Leer mit falschen Karten? Er sicherte einer fünfköpfigen kurdischen Familie eine Duldung für die Zeit ihres Asylfolgeantrages zu. Damit hätte die Familie, deren Vater sexuelle Belästigung vorgeworfen wird, am Wochenende das Kirchenasyl in der Jakobi-Gemeinde im ostfriesischen Warsingsfehn fast verlassen. Tatsächlich war der Asylfolgeantrag aber schon am vergangenen Mittwoch abgelehnt worden; auch letzte Rechtsmittel können die Abschiebung nur bis Ende dieser Woche aufschieben.

„Die Behörde steht unter Erklärungszwang“, äußert sich dazu Landessuperintendent Volker Jürgens konsterniert. Er hat sich persönlich für eine Lösung des Streits um die Familie eingesetzt; eigentlich hätte er sie am Wochende bereits aus ihrem Warsingfehner Kirchenasyl entlassen wollen. Angesichts der jetzt bekannt gewordenen Vorgänge will er dies nun nicht tun: „Kurden in die Türkei abzuschieben ist unverantwortlich, sagt auch das Verwaltungsgericht Stade. Die Leute müssen in der Kirche bleiben.“

Der Landkreis will von Lüge und Betrug nichts wissen. Dieter Backer, Sprecher des Landkreises betont: „Uns liegt keine Ablehnung des zuständigen Bundesamtes vor.“ Der Rechtsanwalt der Kurden dagegen, Ingo Seiler, hat den Ablehnungsbescheid erhalten. Das Bundesamt verweigert eine klärende Aussage mit dem Hinweis auf das laufende Verfahren.

„Das stinkt zum Himmel“, schimpft Renate Sweers von der Jakobi-Gemeinde und Unterstützerin der Kurden. „Wir sind von der Behörde über den Tisch gezogen worden“, so die erboste Gemeindesekretärin. „Ich hab das noch nie erlebt, daß ein Asylfolgeantrag binnen zwei Tagen entschieden wird“, sagt Anwalt Seiler. Er hat jetzt einen Eilantrag gegen die Ablehnung beim Verwaltungsgericht Oldenburg eingelegt. „Aber das dauert zwei bis drei Tage, dann können meine Mandanten abgeschoben werden.“

Auch nach Rückfragen bleibt der Landkreis bei seiner Darstellung: „Wir wissen von keinem ablehnendem Bescheid. Wir haben eine Duldung für die Zeit des Asylfolgeantrages ausgesprochen. Der dauert in der Regel zwei bis drei Wochen.“ Dann könnten Rechtsmittel eingelegt werden. „Das dauert ein paar Tage. Was wir dann mit den Kurden machen, wissen wir noch nicht“, erklärt der Sprecher des Landkreises, Dieter Bakker.

Wegen des Kirchenasyls ist die Jakobikirche heillos zerstritten, seit dem kurdischen Familienvater sexuelle Übergriffe gegen zwei Frauen aus der Gemeinde vorgeworfen werden. Der Mann selbst und ein Unterstützerkreis bestreiten die Vorwürfe. Einem der beiden Gemeindepastoren wird von den Unterstützern dagegen vorgeworfen, er wolle das Kirchenasyl so torpedieren. In einer Gemeindeversamlung („De Kurd mut weg“) hatte die Mehrheit den Kurden ein Ultimatum bis zum 15. Mai gestellt. Bis dahin sollte die Familie die Kirchenräume verlassen. „Da war der Mob los“, kommentiert eine Frau den Beschluß der Versammlung. Aus Angst vor Repressalien durch die Asylgegner mag sie ihren Namen nicht sagen.

Der Referatsleiter für Ausländer bei der Evangelischen Kirche Deutschlands, Martin Affholter, wird deutlicher: „Dies ist nicht der einzige Fall, in dem Behörden versuchen, ein Kirchenasyl gegen die Wand zu fahren. Die Kirche hat grundsätzlich andere Interessen als die Behörden.“

Thomas Schumacher