piwik no script img

Smart: Vollgas oder Notbremse

DaimlerChrysler setzt dem Kleinstwagen Smart wegen geringer Nachfrage ein Ultimatum. Auch Umweltverbände rücken vom einst gelobten Ökoauto ab  ■   Von Bernhard Pötter

Berlin (taz) – So wörtlich wollten die Smart-Konstrukteure ihren Werbespruch dann doch nicht verstanden wissen: „Reduce to the max“, die Reduzierung bis zum Äußersten, hat DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp als Urteil über den Kleinstwagen der Konzerntochter MCC angedroht, wenn sich die Verkaufszahlen in diesem Jahr nicht verbessern. Eine Gnadenfrist von drei bis sechs Monaten gebe Schrempp dem Smart, dann werde der Geldhahn zugedreht, heißt es. Auf der heutigen Hauptversammlung fordern auch die DaimlerChrysler-Aktionäre mehr Informationen über die Zukunftsstrategie des Unternehmens.

Das Problem: Der Yuppie-Zweisitzer für die City findet nicht genügend Käufer. Mindestens 80.000 Exemplare sollen 1999 ausgeliefert werden, doch nach Diskussionen um die Sicherheit und das Umkippen bei einem Elchtest-ähnlichen Fahrmanöver wollten im ersten Quartal nur knapp 10.000 Menschen einen Smart.

Inzwischen hätten die Verkäufe „deutlich angezogen“, beruhigt allerdings Smart-Pressesprecher Wolfgang Riecke, etwa 3.000 Bestellungen gingen jede Woche ein. Doch ob die Nachfrage, die im Sommerloch und im Herbst/Winter erfahrungsgemäß sinkt, für die Rettung des kleinen Stadtmobils ausreicht, „ist letztlich eine Entscheidung unserer Anteilseigner“. Seit dem Ausstieg des Smart-Erfinders Nicolas Hayek aus dem Projekt im Herbst 1998 ist das DaimlerChrysler.

Der schwäbisch-amerikanische Konzern hat in den Smart kräftig investiert. Insgesamt zwei Milliarden Mark hat die Entwicklung nach Informationen des Handelsblatts bisher gekostet, im französischen Hambach wurde eine eigene Fabrik für den Smart gebaut. Seit April wurden noch einmal 100 Millionen Mark in Werbung gesteckt, um die Zielgruppe (laut Riecke „Singles in der Stadt, Familien, die einen Zweitwagen brauchen, und junggebliebene Ältere“) davon zu überzeugen, für den Smart zwischen 16.000 und knapp 20.000 Mark hinzulegen. Seit dem Einbruch vom Frühjahr wurden die Ausstattung verbessert und der Preis gesenkt.

Nicht nur die Entwickler sind vom Smart enttäuscht, sondern auch Umweltschützer. Der alternative Verkehrsclub Deutschland (VCD) hatte noch im letzten Jahr den Kleinwagen auf Platz eins der Liste ökologisch vertretbarer Autos gesetzt: Ein Durchschnittsverbrauch von 4,8 Litern Benzin, niedrige Abgaswerte und vor allem ein neues Angebot hatte den ökologisch orientierten Verkehrsclub überzeugt. Denn wer einen Smart kauft, bekommt für den Urlaub günstige Konditionen, wenn er mit der Bahn fährt und am Urlaubsort ein „richtiges“ Auto mietet. „Aber wir sehen jetzt, daß der Smart nicht als der ökologisch und ökonomisch sinnvolle Kleinstwagen genutzt wird, sondern als reines Fun-Car“, sagt Burkhard Reinertz vom VCD.

Das größte Hindernis für eine wirkliche Alternative zum herkömmlichen Auto sei die Beschränkung auf zwei Sitze. „Ein sinnvolles Konzept wäre ein Viersitzer mit drei Litern Verbrauch.“ Als Zweisitzer sei der Smart „falsch am Markt plaziert“. Das heißt aber nach Meinung von Reinartz nicht, daß es keinen Markt für ein kleines, leichtes Ökoauto gibt. „Die Autoindustrie müßte nur erkennen, daß die Zukunft in diesen Autos liegt.“ Wenn die Industrie für diese Produkte ebenso emotional werbe wie jetzt für die schweren Schlitten, wäre die Nachfrage da.

„Am Markt vorbeigeplant“, lautet auch das Urteil von Tilman Heuser vom Umweltverband BUND. „Der Smart hätte eine wichtige Funktion in einem umfassenden Mobilitätskonzept“, so Heuser. Daimler habe die besten Voraussetzungen: viele Firmenkunden etwa und Erfahrung mit der Telematik, um seinen Kunden nicht einzelne Autos, sondern Beförderungsleistungen mit verschiedenen Systemen zu verkaufen. Doch solange es dieses Konzept nicht gebe, „sind die Chancen für den Smart auf dem Markt gering“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen