Kommentar: Ende offen
■ Die Grünen und die Abspaltung ihres friedensbewegten Flügels
Wenn Politiker aus ihrer Partei austreten und trotzdem ihr Mandat behalten, gibt es stets einen bösen Verdacht: Anstatt die politische Konsequenz zu ziehen, kleben sie selbstsüchtig an ihrem Sessel, der oft Geld und Karriere sichert.
In Hamburg spaltet sich derzeit die GAL – etwa ein Fünftel der Fraktion wird die Grünen aus Protest gegen die Kriegsunterstützung verlassen. Die meisten wollen in der Bürgerschaft bleiben – und haben damit recht. Denn in der Tat vertreten sie jenes grüne Programm, für das sie einst gewählt wurden. Die Partei hat sich in Bielefeld von ihrer bisherigen Programmatik verabschiedet – nicht die rebellischen Hamburger Grünen.
Diese verzwickte Lage verdeutlicht, daß dies etwas anderes ist als die Abspaltungen zuvor. Als die Fundis um Jutta Ditfurth die Grünen verließen, war dies ein logischer Schritt. Die Fundis verstanden die Grünen als ewige Anti-Parteien-Partei. Weil das nicht funktionierte, gingen sie. Auch als sich Teile der DDR-Bürgerrechtler, die sich im antikommunistischen Bunker häuslich eingerichtet hatten, in Richtung CDU verabschiedeten, war dies folgerichtig.
Die jetzige Spaltung ist etwas anderes. Es mag sein, daß die Grünen Fischers Kurs billigen mußten – schon weil eine Demontage des Außenministers die Chancen für eine diplomatische Lösung im Kososo vermindert hätte. Doch für die Partei ist diesmal das Ende offen. Denn die Abspaltung des friedensbewegten Flügels wird die Grünen nicht stärker machen wie der Austritt der politikunfähigen Fundis – im Gegenteil.
In Bielefeld hat sich die Partei auf Gedeih und Verderb Fischer ausgeliefert. Eine ironische Pointe der Geschichte: Die Partei, die aus der antiautoritären Bewegung kam, hat sich in einen Fischer-Chor verwandelt. Derartig personenfixiert war wohl nur die Kohl-CDU nach 1989.
Und die Ausgetretenen? Es ist klug, daß sie keine neue Partei gründen wollen. Denn eine linksgrüne Partei dürfte genausowenig Chancen haben wie alle Versuche in den 70ern, eine Partei links von der SPD zu gründen. In den 70ern gab es, bis zur Gründung der Grünen, eine heimatlose Linke, nicht einflußreich, aber hörbar. Das ist die Tradition, an die die Ex-Grünen anknüpfen können – und nicht die unselige linksdeutsche Neigung, sich in Sekten zu versammeln und erst mal einen Kassenwart zu wählen. Stefan Reinecke
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