: Oma ist im Filmgeschäft
■ Mit zehn Mark Fernsehproduzent werden: Eine Firma verspricht Beteiligung an tollen TV-Projekten – wenn auch keinen Gewinn
Ein sehr gemeiner Mensch hat einmal erfunden, daß Filme und Fernsehserien teuer sein müssen. Eine einzige Folge „Lindenstraße“ kostet zum Beispiel 330.000 Mark. Da muß eine arme Omma lange für stricken. Seit kurzem kann die Omma aber auch zehn Mark von ihrer Rente abheben und sie – zum Beispiel – in die neue Fernsehserie „Club 69“ investieren, in der es um Nutten, Sex und Rotlichtviertel gehen soll.
Denn die kleine Film- und Fernsehproduktionsfirma Fima aus dem badischen Gernsbach will Omas und andere Normalbürger zu Filmproduzenten machen. Dazu muß Oma sich einfach nur eine Art Filmaktie kaufen (kosten 10 Mark das Stück), und schon ist sie Mitfinanzier von „Club 69“, der TV-Serie über Freier, Freudenhäuser und Sex (geplanter Drehstart im Jahr 2000). Wahlweise kann sie aber auch den Kinofilm „Soweit die Füße tragen“ mitfinanzieren (angekündigter Drehstart Ende Juni) oder eine Krimiserie, in der ein alter Knacker (Claus Wilkke) neue Fälle lösen soll. Der soll „der Lord“ heißen, obwohl er in den Siebzigern „Percy Stuart“ hieß, was der Firma aber für die Neuauflage von den Rechteinhabern verboten wurde.
Organisatorische Schwierigkeiten dieser Art sind allerdings das kleinste Problem bei der geplanten Form der TV-Produktion, bei der die Firma ihre Projekte seit kurzem im Internet (www.fimania.com/movie_chips/movie_chips.html) zur privaten Beteiligung anbietet. „Eine völlig neue Art der Finanzierung“, jubelt der 29jährige Firmengründer Andy (sprich: „Ändi“) Fischer. Für die TV-Serie „Der Lord“ will er beispielsweise Produktionskosten von rund 810.000 Mark heranschaffen.
Zehn Mark von Oma sind angesichts dieser Summe natürlich gar nichts. Der „Club 69“ soll da schon etwas billiger daherkommen: 600.000 Mark für zwölf Folgen à 25 Minuten haben Fischer und sein Kollege Marc Eisinger für ihre Huren-Serie veranschlagt. Eine erotische Weekley-Soap für das Spätprogramm soll es angeblich werden, nach dem Vorbild des Riesenerfolges „König von St. Pauli“. Die Marktforschung räume dem Konzept prima Verkaufschancen ein, prahlen die Produzenten. Das kann sogar sein: Immerhin bosselt auch Sat.1-Chef Fred Kogel an einer Doku-Soap aus der Welt des käuflichen Sex.
Soll Omma also ein paar Aktien kaufen? Falls sie es tut, dann muß allerdings damit rechnen, daß ihre zehn Mark damit auch weg sind. Vor zwei Jahren, als Fischer und sein Partner Marc Eisinger unbedingt den Film „Cascadeur“ drehen wollten, aber kein Geld dafür hatten, wandten sie sich erstmals an Privatinvestoren. 18 private Filmfreaks sorgten dann mit Einzeleinlagen ab 10.000 Mark dafür, daß „Cascadeur“ gedreht werden konnte und ins Kino kam, wo der dann ein Riesenflop wurde.
Aber Gewinn sei gar nicht vorrangiges Ziel der Sache, beschwichtigt Fischer. „Gerade bei den preiswerten Moviechips wird wohl kaum jemand wirklich damit rechnen, daß er aus seiner 10-Mark-Einlage womöglich hurtig 15 machen kann. Das Ganze ist mehr ein Spiel mit einem tollen Nebeneffekt: Da kommt später irgendwann eine Serie ins Fernsehen, an der ich beteiligt bin!“
Der Produzent glaubt: „So etwas gab es bisher noch nie.“ Das stimmt nicht ganz: Filmfonds für Geldanleger wurden auch hierzulande zuweilen aufgelegt, sind aber bislang, so das Fachblatt Kapitalmarkt intern, noch jedesmal hochdefizitär geendet.
Und wer bei seinem ersten Ausflug ins Produzentengeschäft etwas intensiver schnuppert, wird feststellen, daß die von Fima für „Club 69“ veranschlagten Produktionskosten von 600.000 geradezu lächerlich gering sind. Alleine der Drehbuchautor bekommt nach den gängigen Tarifen schon zwischen 12.000 und 17.000 Mark pro 30-Minuten-Episode. Die Kosten für eine durchschnittliche Daily-Soap-Produktion wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ oder „Verbotene Liebe“ liegen pro fertiger Sendeminute schon bei rund 6.000 Mark. Und diese Formate gehören zu dem billigsten, was es im Fernsehen gibt. „Club 69“ käme nach dieser Rechnung gerade mal auf 100 Sendeminuten. Das entspräche vier Folgen und nicht zwölf.
Da wird Omma vorsichtig: Geht es bei Fima und den Moviechips mit rechten Dingen zu? „Wir haben eine Produktionsfirma als Partner, die über eigene Studios verfügt“, behauptet Andy Fischer., „dadurch können wir die Produktionskosten extrem gering halten.“ Der Produzent: „Die Gewinnchancen bei uns sind zwar verschwindend; das Risiko aber auch.“ Wer sein Geld wiederhaben wolle, könne es jederzeit zurückbekommen, und wenn ein Projekt keinen Sender oder Verleih finde, dann werde es rechtzeitig abgeblasen.
Die Fortschritte „seiner“ Produktion soll der Moviechip-Besitzer übrigens live im Internet verfolgen: Bilder und Filmchen vom Set, Zwischenberichte und exklusive Chats mit Schauspielern und Regisseuren. Näher ran ans Filmgeschäft kann Omma kaum kommen. Warum soll es in einer Zeit, in der man der Geliebten für ein paar hundert Mark einen echten Stern mit Besitzurkunde kaufen kann, nicht auch Moviechips sein. In der vagen Hoffnung, einmal sagen zu können: „Schatz, sieh mal, sie spielen unseren Film.“
Frank M. Ziegler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen