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Anklage fordert 13 Jahre Haft für Gestapo-Mann

■ Alfons Götzfrid soll im KZ Majdanek 500 Menschen eigenhändig erschossen haben

Stuttgart (AP) – In einem der letzten NS-Verfahren in Deutschland hat die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gestern 13 Jahre Haft für den früheren Gestapo-Mann Alfons Götzfrid gefordert. Der 79jährige Angeklagte sei der Beihilfe zum Mord an 17.000 Juden und der eigenhändigen Erschießung von 500 Menschen im Vernichtungslager Majdanek schuldig, sagte Oberstaatsanwalt Kurt Schrimm. Die Verteidigung stellte keinen konkreten Strafantrag, wies aber darauf hin, daß der Angeklagte wegen dieser Taten schon in der ehemaligen Sowjetunion verurteilt worden war.

Die Staatsanwaltschaft sah es als erwiesen an, daß Götzfrid als Mitglied der Sicherheitspolizei in Lemberg am 3. November 1943 in Majdanek eigenhändig 500 Juden erschossen hat. Der Angeklagte habe an der von den Nazis so genannten „Aktion Erntefest“ teilgenommen, bei der insgesamt 42.000 Menschen, vorwiegend Juden, erschossen wurden. Die Befehle seien von Adolf Hitler und Heinrich Himmler gekommen, die als Haupttäter anzusehen seien. Die Tötungsbefehle seien aus niedrigstem Rassenhaß gegeben worden, erklärte Schrimm. Götzfrid hingegen, der selbst in früheren Aussagen nach Übersiedlung aus der Ukraine die Erschießung von 500 Menschen zugegeben hatte, ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft rechtlich nur noch wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen. Auf der untersten Stufe der NS-Befehlshierarchie stehend, habe er sich dem Befehl untergeordnet. Aber er hätte auch denebenschießen können.

Anwalt Dieter König erklärte: „Der Angeklagte meinte, er mußte die Befehle befolgen.“ Er habe keine Ahnung von den Plänen und Vorbereitungen der Massenerschießungen gehabt. Der Verteidiger betonte, daß der als Spätaussiedler nach Deutschland gekommene Mann in der Sowjetunion schon elf Jahre wegen Vaterlandsverrats inhaftiert war. Dies müsse auf das Urteil angerechnet werden. Dies hatte auch der Staatsanwalt beantragt. Deswegen muß der 79jährige bei einem Schuldspruch wahrscheinlich nicht mehr in Haft.

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