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Fünfmal Abschied von „Mattgrün“

■ Nach der Spaltung der Hamburger Grünen ist die Zukunft sowohl der GAL als auch ihrer Abtrünnigen offen. Rot-grüne Mehrheit stabil

Hamburg (taz) – Zufälle gibt's. Am Tag des Baubeginns in Altenwerder spaltet sich Hamburgs Grün-Alternative Liste (GAL). Der Widerstand gegen die Erweiterung des Hafens, der das 800jährige Fischerdorf an der Süderelbe weichen sollte und inzwischen mußte, war vor 20 Jahren die Keimzelle der GAL. Ihren Kampf um das zum Symbol erhobene Altenwerder gab sie offiziell bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD im Herbst 1997 auf und durfte zur Belohnung drei Mitglieder des Senats stellen. Der ließ gestern den Grundstein für einen 80 Hektar großen Containerterminal legen; zeitgleich verlassen fast alle Linken unter den Grünen die Partei.

Nicht wegen Altenwerder und der erklecklichen Reihe weiterer grüner Niederlagen, aber auch deswegen. Der Anlaß für den gestrigen Austritt von fünf linken Hamburger Abgeordneten aus Partei und Bürgerschaftsfraktion ist der Krieg gegen Jugoslawien. Er habe „keine Lust, Mitglied eines Joschka-Fischer-Fanclubs“ zu sein, formuliert sarkastisch Norbert Hackbusch seine Kritik am Beschluß der Bielefelder Bundesdelegiertenkonferenz (BDK).

Heide Sudmann und Susanne Uhl, Mitglieder der grünen Anti-Kriegs-Initiative, sagen es deutlicher: „Die BDK hat den Kriegskurs der rot- grünen Bundesregierung nachträglich legitimiert“, deshalb seien die Grünen „nicht mehr unsere Partei“. Dennoch wollen und können weder sie noch Lutz Jobs und Julia Koppke, die ebenfalls von der Fahne gehen, verhehlen, daß die real existierende Politik der rot-grünen Koalition in der Hansestadt sie schon seit geraumer Zeit an ihre persönlichen Schmerzgrenzen getrieben hatte.

Energiepolitiker Jobs hatte bereits im Dezember der SPD mit dem Ende der Koalition gedroht, falls dieser in Sachen Atomausstieg nicht mehr als „Nonsensgespräche“ mit den Stromkonzernen einfiele. Sonst könne man gleich „mit der Fleischerinnung über die Einführung des Vegetarismus verhandeln“. Für Susanne Uhl ist der Bielefelder Beschluß „nur das letzte, wenn auch schwerwiegendste Beispiel“ für die Transformation ihrer bisherigen Partei zu einer „mattgrünen FDP“.

Auf ihrer ersten Pressekonferenz erklärten die fünf Ex-GALier gestern mittag: „Wir werden keine Fundamentalopposition machen, sondern Rot-Grün kritisch begleiten.“ Als Gruppe in der Bürgerschaft – für den Fraktionsstatus und die damit verbundenen formalen Rechte und höheren finanziellen Zuschüsse fehlt das sechste Mandat – wollten sie die SPD-GAL-Koalition „von links anstacheln“ und „herausfordern“. Einen Namen suchen sie noch, und an ihrem Profil werden sie „in den nächsten Wochen“ basteln. Von der Gründung einer neuen Partei ist noch keine Rede. Ein „Sammelbecken der Unzufriedenen“ sei vorstellbar, und dann werde sich zeigen, „wohin dieser offene Prozeß sich entwickelt“. Nächster Fixpunkt ist das bundesweite Treffen am 6. Juni in Dortmund, auf dem Noch-Grüne mit Ex-Grünen über ein gemeinsames „Netzwerk“ sprechen wollen.

In der nur noch 16köpfigen GAL-Bürgerschaftsfraktion haben seit gestern die Realos eine Zweidrittelmehrheit. Einen „Durchmarsch“ des rechten Flügels werde es aber nicht geben, erklärte die linke Fraktionschefin Antje Möller. Sie bleibt in der Partei, und „ich bleibe auch Fraktionsvorsitzende“. Auch Realo-Parteichef Peter Schaar beteuerte, auch künftig würden „Linke in der GAL zu Wort kommen“.

Ob die GAL sich künftig der SPD annähern oder ein ganz neues Profil entwickeln wird, ist derzeit völlig offen. Zunächst einmal warten alle auf die Europawahlen. Sollte die abgemagerte GAL, die seit über einem Jahrzehnt an zweistellige Prozentzahlen gewöhnt ist, am 13. Juni unter zehn Prozent holen, werden heftige Richtungsstreitereien ausbrechen. Sollte die GAL stabil bleiben, gibt es keinen Anlaß mehr für Diskussionen. Sven-Michael Veit

Entscheidend ist die Europawahl. Holt die GAL über zehn Prozent, gibt es keinen Anlaß mehr für Diskussionen

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