Vom Regen in die Traufe

■ Innenverwaltung erkennt die DDR-Ausbürgerung einer Frau, die davon nichts wußte, an und verweigert ihr die Sozialhilfe

Bärbel M. versteht die Welt nicht mehr. Erst wurde sie von der DDR ausgebürgert, ohne daß ihr das mitgeteilt wurde, und nun wird der Mutter mit Kind der Bezug von Sozialhilfe verweigert, weil sie nach Überzeugung der Innenverwaltung gar keine Deutsche ist. Die 38jährige wurde aufgefordert, ihren Paß und ihren Personalausweis abzugeben.

Bärbel M. war 1982 ihrem ungarischen Mann nach Ungarn gefolgt. Weniger aus Liebe, wie sie meint, vielmehr habe sie darin die einzige Chance gesehen, den Anwerbeversuchen der Stasi zu entkommen. „Der Offizier sagte mir bei dem letzten Gespräch, er würde meine Ausreise gestatten, aber weiterhin mit mir in Kontakt bleiben.“

Doch entgegen dieser Ankündigung wurde die Frau, die in Ungarn eine Stelle als Sozialarbeiterin angetreten hatte, von der Stasi in Ruhe gelassen. „Allerdings wurden mir mit einer Ausnahme alle Besuchsreisen in die DDR verboten“, erinnert sie sich. 1988 hätten ihr zudem die ungarischen Behörden eröffnet, daß die DDR sie zwei Jahre zuvor ausgebürgert habe. In der Urkunde steht, Bärbel M. sei auf eigenen Antrag aus der DDR-Staatsbürgerschaft entlassen worden. Doch Bärbel M. sagt, daß sie niemals solch einen Antrag gestellt habe. Um nicht weiter staatenlos zu bleiben, nahm sie die ungarische Staatsangehörigkeit an.

Als die inzwischen geschiedene Frau 1990 als Übersiedlerin nach Niedersachsen kam, erhielt sie anstandslos einen deutschen Paß. Bärbel M.: „Ich habe den ungarischen Paß nicht verschwiegen, mich im Gegenteil damit ausgewiesen.“ Laut Aktenlage hatten die niedersächsischen Behörden die DDR-Ausbürgerung nicht als eine rechtmäßige Ausbürgerung aus der deutschen Staatsangehörigkeit angesehen.

Auch die Berliner Behörden hatten an der deutschen Staatsangehörigkeit der Frau zunächst keinen Zweifel: Als sie ein Jahr später wieder heiratete, wiesen sie die Dokumente als Deutsche aus. Das änderte sich jedoch 1997, als ihr Mann, ein Jordanier, die deutsche Staatsangehörigkeit beantragte: Der Antrag ihres Mannes wurde, so Rechtsanwalt Roland Reimann, wegen der unklaren Staatsangehörigkeit seiner Frau abgelehnt. Bärbel M.: „Die Innenverwaltung sagte mir jedoch, ich könne wieder Deutsche werden, wenn ich meinen ungarischen Paß zurückgebe. Bis dahin räumte sie mir das Recht ein, meinen deutschen Paß zu behalten.“

Doch dann wurde die Frau mit den Feinheiten des Staatsangehörigkeitsrechts konfrontiert: Sie wurde arbeitslos und schwanger und damit zum Sozialfall – für die versprochene Wiedereinbürgerung ein unüberwindbares Hindernis. Bärbel M.: „Als ich hochschwanger war, forderten mich die Behörden zur Ausreise nach Ungarn auf.“ Denn das Ausbürgerungsverfahren aus der ungarischen Staatsangehörigkeit zieht sich noch hin.

Da eine Wiedereinbürgerung für die junge Mutter wegen der Sozialhilfe auf absehbare Zeit unmöglich sein wird, strebt ihr Anwalt nun an, die DDR-Ausbürgerung als gegenstandslos zu betrachten. Roland Reimann: „Hier hat mich das Verwaltungsgericht leider mit einer sehr komplizierten Rechtsprechung konfrontiert: Meine Mandantin wurde ja auf dem Papier freiwillig ausgebürgert. Das kann man nachträglich nur als hinfällig betrachten, wenn der Freiwilligkeit etwa mit vorgehaltener Pistole nachgeholfen wurde.“

Reimann fordert die Innenverwaltung auf, sich der Rechtsauffassung der niedersächsischen Behörden anzuschließen und der Frau ihre deutsche Staatsangehörigkeit zuzusprechen. Dazu der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Strunden: „Zu laufenden juristischen Auseinandersetzungen äußern wir uns grundsätzlich nicht gegenüber der Presse.“ Marina Mai

Wer ohne eigenes Wissen aus der DDR ausgebürgert wurde, kann es schwer haben, als Deutscher zu gelten