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Ornament, Oblomow und Opium

■ Trotzige Abgesänge treiben noch immer die allerschönsten Blüten: Der Wiener DJ und Musiker Waldeck auf der Kriechspur von Kruder & Dorfmeister im Silver Wings

Es gibt eine Compilation des Labels Stereo De Luxe, die ein Stück von Waldeck enthält. Sie heißt Slow Mo, neben Waldeck verstecken sich auf ihr so blumige Namen wie Plain Lazy und Moodorama. Auf dem Cover ist eine grellgrün und golden phosphoreszierende Schnecke abgebildet. Nichts als dieses schwerfällige, schleimige Tier könnte den Witz von Waldecks Musik besser darstellen.

Waldeck aus Wien hat vor allem zwei Vorbilder: Kruder und Dorfmeister, die auch Stücke seines Albums „Balance Of The Force“ produziert haben, und Massive Attack. Darum fällt es überhaupt nicht schwer, ihm Stagnation vorzuwerfen, daß er nur einen rückversichernden Lebensbeweis für TripHop organisiert, einen traurigen, einen überflüssigen Nachklang auf ein längst verwelktes Genre. Aber irgendwie ist es mehr als das. Er schraubt davon auch noch einmal das Beste bis zum Schwindel und beweist die Regel, daß Abgesänge immer die schönsten Blüten treiben. Er drosselt, verlangsamt, dehnt alle seine Sounds und Samples noch einmal auf ein Drittel des Gewohnten, treibt es auseinander und entkernt alles Dagewesene von vielleicht Gefährlichem, von Klaustrophobie, Verstimmung und Vielschichtigkeit, einer gewissen aufdringlichen Nachdrücklichkeit à la Portishead. Übrig bleibt nur noch behagliche Schläfrigkeit, Ornament, Oblomow und Opium, eben Schneckentempo. Und trotz dieser vordergründigen Verharmlosung, trotz der sicheren Songstrukturen, ist es doch ein zeitlupenhafter Stolpergang mit angezogener Handbremse, das Schürfen des Sands im geschmierten Getriebe, ein einziger trödelnder Protest gegen Betriebsamkeit, gegen Arbeit und den Fleiß der ökonomisch durchgestylten Welt, was Waldeck da betreibt. Lethargie als Haltung: Waldecks Musik dreht sich stur um sich selbst. Es hallt und echot so vor sich hin, mal klingt es nach blubbernd gedämpfter Unterwasserwelt, mal nach grillenzirpender und lasziver Hitze. Dann singt eine Sängerin soulig, als hätte sie das Cocktailglas in der Hand, von „Children of the Ghetto“: sowieso obszön. Gemächliche Weitschweifigkeit lädt ein zu Faulheit und Langeweile. Der ideale Soundtrack für den gepflegten, unbewegten Sommerabend – für Leute ab Dreißig, die ein luxuriöses Gehäuse brauchen.

Vielleicht hat das was mit Wien zu tun. Wien, die Stadt, in der nicht viel passiert, musikalisches Niemandsland, wie Kruder und Dorfmeister immer wieder betonen. Wo auf der Straße nichts zu hören, nichts neues aufzuschnappen ist, die Stadt fast privater Raum, noch wie Interieur ist.

Wo man schlendern kann und die Dinge nicht im Flug erhaschen muß.

Was lange währt, will Weile haben: Immer wieder behäbig im Kaffeehaus sitzen und die Welt wie durch Milchglas hören.

Wien, das Leute wie Waldeck in Ruhe von der weiten Welt träumen, Endlosschlaufen aus Musik wickeln, in Watte betten und „Slaapwagen“ nennen läßt. Und sie davon befreit, sich wirklich in einen solchen setzen zu müssen, um wegzufahren. Susanne Messmer

Heute abend ab 21 Uhr im Silver Wings, Columbiadamm 8

Trödelnder Protest gegen die Arbeit und den Fleiß der ökonomisch durchgestylten Welt

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