: Basisgrün noch ohne Fundament
■ Die grüne Linke organisiert sich eine Woche nach dem Kosovo-Beschluß nur äußerst schleppend. Kreuzberg wird statt Europawahlkampf eine Anti-Kriegs-Kampagne starten
Eine Woche nach dem Bielefelder Kosovo-Beschluß der Grünen tut sich die Parteilinke schwer damit, die angestrebte innerparteiliche Opposition zu organisieren. „Die 40 Prozent der Grünen, die für ein sofortiges Ende der Nato-Angriffe gestimmt haben, müssen sich nun artikulieren“, sagte die linke Abgeordnete Ursula Hertl-Lenz am Rande des Landesausschusses, der am Mittwoch abend über die Lage nach dem Bundesparteitag beriet. Doch sind die 40 Prozent, die bei der Abstimmung unterlagen, alles andere als eine einheitliche Gruppe. Eine gemeinsame Position muß erst noch erarbeitet werden.
„Wir müssen uns auf eine inhaltliche Grundlage verständigen“, bestätigte die linke Abgeordnete Ida Schillen. „Wir stehen erst am Anfang einer koordinierten Aktion.“ Schillen setzt auf die Gruppierung Basisgrün, um den Widerstand gegen den Krieg und „die Verflachung und Verfälschung grüner Politik“ zu organisieren. Doch die Gruppe, die bundesweit rund 1.000 Mitglieder hat, gibt es in Berlin noch gar nicht. Angesichts des hohen Erwartungsdrucks gegenüber Basisgrün, sagte Schillen: „Es wird sich zeigen, ob man diesen Erwartungen gerecht werden kann.“
Unklar ist auch noch ob, der Z-Kreis der Linken, der sich seit einem dreiviertel Jahr regelmäßig in der Kreuzberger Kneipe „Z“ trifft, zum Kristallisationspunkt der enttäuschten Kriegsgegner wird. „Der Z-Kreis hat sich noch nicht festgelegt“, sagt Schillen, Mitglied der Kungelrunde.
An die Spitze der grünen Anti-Kriegs-Bewegung hat sich vielmehr die Kreuzberger Bezirksgruppe gesetzt, die ihr Ladenbüro in der Adalbertstraße zu einem Anti-Kriegs-Büro umfunktionieren wird. Statt Europawahlkampf wollen die Kreuzberger Grünen eine Anti-Kriegs-Kampagne starten. Mit einer Zeitung und über das Internet wollen sie eine Gegenöffentlichkeit im Kosovo-Krieg herstellen. „Wir rufen dazu auf, nicht aus der Partei auszutreten“, sagte Monika Herrmann von der Kreuzberger Parteispitze. „Wir fordern Mitglieder aus anderen Kreisen auf, sich bei uns zu engagieren.“
Auch die Bezirke Tiergarten und Weißensee überlegen, sich aus dem Europawahlkampf zurückzuziehen. Der Landesausschuß forderte die drei Bezirke dagegen gestern mit deutlicher Mehrheit auf, ihre Position nochmals zu überdenken.
Zu den Auswirkungen auf den Europawahlkampf sagte Landesvorstandssprecher Andreas Schulze: „Das macht den Europawahlkampf, der schon schwierig genug ist, nicht einfacher.“ Er geht allerdings nicht davon aus, daß die Abstinenz einzelner Bezirksgruppen das Wahlergebnis verschlechtern werde. Der Krieg koste die Grünen Stimmen, nicht aber die Tatsache, daß in einigen Bezirken weniger Plakate hingen, sagte Schulze.
Henning Schluß, der beim Bundesparteitag gemeinsam mit 32 MitstreiterInnen bei den Grünen eingetreten war, meinte gar: „Vielleicht ist eine Anti-Kriegs-Kampagne am Ende der bessere Wahlkampf.“ Dorothee Winden
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