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Stasi-Offizier als Spitzel für Verfassungsschutz

■ Grüne erheben neue Vorwürfe gegen Verfassungsschutz in der Scientology-Affäre

Die Verfassungsschutzaffäre um die fälschliche Beschuldigung eines leitenden Polizeibeamten als Scientology-Mitglied erhält eine neue Wendung: Der Verfassungsschutz soll einen ehemaligen hauptamtlichen Stasi-Offizier angeworben haben, um die Scientologen auszuspionieren. Die bündnisgrüne Verfassungsschutzexpertin Renate Künast bestätigte gestern, daß entsprechende Hinweise in einem anonymen Schreiben nach ihrer Kenntnis zutreffend seien.

Bei dem Schreiben, das als Presseerklärung des Verfassungsschutzes aufgemacht ist, handelt es sich um eine Fälschung. Doch offenbar haben die Verfasser Insiderwissen. Renate Künast erklärte gestern, ein großer Teil des Schreibens, jedoch nicht alles, sei zutreffend. Der parlamentarische Verfassungsschutzausschuß müsse sich in der nächsten Woche mit der Angelegenheit befassen. „Das Parlament muß sich nun ernsthaft fragen, ob und wie der Verfassungsschutz kontrolliert werde“, sagte Künast. Dem Ausschuß sei im vergangenen Jahr nicht mitgeteilt worden, daß ein hauptamtlicher Stasi-Offizier als V-Mann angeworben worden sei. Es war lediglich bekannt geworden, daß zur Ausforschung der Scientologen ein 75jähriger unter dem Decknamen „Junior“ angeheuert wurde, der jahrelang als Informeller Mitarbeiter für die Stasi gearbeitet hatte. Er war wegen Unzuverlässigkeit jedoch schon von der Stasi gefeuert worden.

Der damalige Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) hatte im September vergangenen Jahres erklärt, der Einsatz früherer Stasi-Spitzel sei „Geschäftsgrundlage eines erfolgreich tätigen Nachrichtendienstes“. Die genaue Zahl der früheren Stasi-Mitarbeiter beim Verfassungsschutz – nach einem Spiegel-Bericht waren es drei – hatte Schönbohm nicht genannt. Dorothee Winden

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