Das Schweigen der Ökos

■  Keine politischen Konsequenzen aus der Warnung vor einer Öko-Katastrophe. Anrainer melden hohe Umweltbelastungen

Berlin (taz) – Der Bericht des Umweltbundesamtes (UBA) über die drohenden Gefahren für Menschen und Umwelt durch den Krieg in Jugoslawien (siehe taz von gestern) wird keine direkten politischen Folgen haben. Ein Sprecher des grünen Bundesumweltministers Jürgen Trittin erklärte gestern, das Ministerium werde aus diesen Gründen nicht auf eine Änderung der Nato-Strategie drängen. „Die Zuständigkeiten sind da sehr streng verteilt“, erklärte Trittins Sprecher Thomas Elsner. „Solange Menschen vertrieben und massakriert werden, sind die Sorgen um die Umwelt nachrangig.“ Die grüne Abgeordnete und Umweltpolitikerin Michaele Hustedt wollte sich zu dem Thema nicht äußern. „Aber ich hoffe, die Nato weiß, daß es bei Belgrad ein Atomkraftwerk gibt und es nicht bombardiert.“

Elsner verwies auf eine Resolution der EU-Umweltminister, die bei ihrem Treffen in Weimar Anfang Mai mehr Informationen über die ökologischen Schäden durch den Krieg in Jugoslawien gefordert hatten. Die Minister hatten die EU-Kommission aufgefordert, mehr Informationen zu sammeln und den Umweltschutz bei zukünftigen Hilfsprogrammen zu berücksichtigen.

In einer internen Studie hatten die Experten des UBA gewarnt, die Angriffe auf die Infrastruktur Jugoslawiens könnten schwere und möglicherweise irreversible Schäden für Menschen und Umwelt nach sich ziehen. Daß in dem Papier die Verwendung von abgereichertem Uran als panzerbrechende Munition durch Nato-Kampfflugzeuge nicht erwähnt wird, hat nach Aussagen von UBA-Sprecher Karsten Klenner einen einfachen Grund. „Wir können uns nur auf sehr wenige und kaum überpüfbare Daten stützen.“ Daher könne man keine Aussagen über die spezifische Wirkung bestimmter Waffen machen.

Während sich die UN-Delegation zur Einschätzung der Bombenschäden gestern noch in Jugoslawien aufhielt, mehrten sich die Meldungen über ökologische Kriegsschäden in den Anrainerstaaten. So hat sich nach Informationen der bulgarischen Nachrichtenagentur BTA die Belastung mit radioaktiven Strahlen in Makedonien im letzten Monat um das Achtfache erhöht. Die Belastung, die aber immer noch bei einem Viertel der zulässigen Menge liege, wurde auf die Nato-Luftangriffe zurückgeführt. Die griechische Sektion der Umweltorganisation Greenpeace meldete, im Norden Griechenlands seien bereits im April „Rekordwerte“ von Dioxin und aromatischen Kohlenwasserstoffen gemessen worden. „Sehr wahrscheinlich“ gingen diese Werte auf die Großbrände nach den Angriffen zurück, hieß es. Wissenschaftler hätten ermittelt, daß die Dioxin-Konzentration in der Atmosphäre das 15fache des normalen Wertes erreiche. Greenpeace Deutschland erklärte, nach dem Ende der Kämpfe werde eine Delegation nach Jugoslawien geschickt, um die Schäden einzuschätzen. Bernhard Pötter