: Nato-Strategie für Schweden „völlig inakzeptabel“
■ Bomben beschädigen schwedische Botschaftsresidenz. Nach der Zerstörung der chinesischen Botschaft sagten die Schweden noch: Zeichnet unsere in Nato-Karten ein.
Die schwedische Regierung ist über den erneuten Fehlschlag der Nato hell empört. In der vergangenen Nacht wurde die Residenz der schwedischen Botschaft in Belgrad bei einem Luftangriff der Allianz beschädigt. Die Kritik an der Nato-Kriegsführung nahm nach diesem Vorfall an Schärfe deutlich zu.
Hatte man bislang im Zweifel das „Verständnis“ für die Kriegsführung der Nato in den Vordergrund gerückt, sprach die schwedische Außenministerin Anna Lindh jetzt mit vorher nie gehörter Schärfe von einem „völlig unakzeptablen“ Vorgehen.
Daß die Nato sich auch für diesen Fehlschlag entschuldigte, wollte Stockholm nicht als ausreichend akzeptieren: „Waffen von derartiger Stärke haben mitten in der Innenstadt einer Großstadt wie Belgrad nichts verloren. Und das haben wir der Nato auch deutlich mitgeteilt. Wir haben noch keine Antwort, aber ich kann mir vorstellen, daß die Nato es unerhört schwer haben wird, einen solchen Angriff zu rechtfertigen. Hat man früher mal von ,chirurgischer Kriegsführung‘ gesprochen, so bin ich der Meinung, daß die Nato mit ihren Bomben zwischenzeitlich psychologische Kriegsführung betreibt“, so die Außenministerin Lindh.
Im Rahmen der Bombenangriffe, die auch das Krankenhaus „Dragisa Miovic“ trafen, waren durch die heftige Druckwelle die Fenster des benachbarten Botschaftsgebäudes pulverisiert worden, Putz von Decken und Wänden gefallen und die schwere Eingangstür aus Eichenholz aus den Angeln gehoben worden.
„Die Bomben oder Raketen schlugen nur 150 bis 200 Meter entfernt ein“, berichtete Schwedens Botschafter Mats Staffansson, „und sie müssen ungewöhnlich stark gewesen sein. Ich habe ja schon eine Reihe von Bombennächten hinter mir, habe aber niemals diese Art von Detonationen gehört.“
Nach Staffanssons Einschätzung galten die fehlgegangenen Nato-Bomben der vergangenen Nacht offenbar einigen weiter entfernt liegenden Kasernen, „die in vorangegangenen Angriffen aber schon völlig zerstört worden sind“. Eine Information des Botschafters, die Außenministerin Lindh in ihrer Einschätzung bestärkte: „Ich kann kein Motiv für diesen Angriff sehen. Wir hoffen nun dringend auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates, damit die Bombenangriffe aufhören.“
Schwedens Botschaft ist eine der wenigen westlichen Auslandsvertretungen in Belgrad, die noch geöffnet ist und derzeit für eine ganze Reihe von Ländern die diplomatische Vertretung wahrnimmt.
Der schwedische UN-Vermittler Carl Bildt hatte bei einem Protest gegen die Bombardierung der chinesischen Botschaft am 9. Mai – eigentlich im Scherz – erklärt: „Ich habe die Nato vorsichtshalber mal darauf hingewiesen, daß auch wir noch eine Botschaft in Belgrad haben und sie die bitte auf ihren Karten richtig markieren sollen, damit sie nicht auch getroffen wird.“
Diese Aufforderung fand bei den militärischen Strategen der Nato offenbar kein Gehör.
Reinhard Wolff, Stockholm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen