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Serbisches Massaker auf Videoband

Das amerikanische Außenministerium präsentierte nicht nur Satellitenfotos, sondern auch Filmaufnahmen eines Zeugen, die die Morde an 127 Männern in dem Dorf Izbica beweisen sollen  ■ Aus Washington Peter Tautfest

„Die Serben kamen, begannen herumzuschreien und warfen uns alle aus unseren Häusern. Frauen und Kinder wurden von den Männern getrennt und aus dem Dorf gejagt. Wir mußten uns in Dreierreihen aufstellen, dann begannen sie zu schießen.“ In vielen der von internationalen Beobachtern geführten Interviews mit Flüchtlingen in Makedonien und Albanien kommen solche Berichte vor. Für das Massaker aber, das mit diesen Worten von einem Mann aus dem Dorf Izbica beschrieben wurde und bei dem am 28. März – vier Tage nach dem Beginn des Bombenkriegs – 127 Menschen getötet wurden, wurden nun weitere Beweise vorgelegt.

Am Mittwoch stellte das State Department in einer eigens einberufenen Pressekonferenz ein Videoband vor, das der Arzt Liri Losci am 29. März, einen Tag nach dem Massaker, aufgenommen haben soll. Es zeigt ein mit Leichen übersätes Feld – vorwiegend ältere Männer, neben denen noch ihre Stöcke liegen, auf die sie sich im Gehen gestützt hatten. Liri Losci war von flüchtenden Frauen aus dem Dorf auf die Ereignisse vom Vortag aufmerksam gemacht worden und schlich sich in der Nacht an den Ort des Geschehens. Mit der Videokamera, die ein Dorfbewohner im Boden vergraben hatte und so vor den Serben hatte verbergen können, filmte er die Leichen und deren Beerdigung.

Das Dorf Izbica war erstmals am 10. Mai in einem Bericht des State Department erwähnt worden. Satellitenaufnahmen zeigen an einer Straße beim Dorf neben einem Acker frisch ausgehobene Gräber. Von 70 Dörfern, in denen Serben Massenerschießungen verübt haben sollen, wird Izbica zusammen mit acht weiteren Dörfern namentlich aufgeführt. Die Landschaftsstrukturen auf dem Video deckten sich mit denen auf den Satellitenaufnahmen, sagte James Rubin, der Sprecher des State Department.

Der Nachrichtensender CNN sendete das Band im Laufe des Mittwochs immer wieder, konnte aber kein Kamerateam nach Izbica schicken. Dafür wurden drei Überlebende des Massakers vorgestellt und interviewt. Das jugoslawische Fernsehen hingegen sendete Aufnahmen aus einem friedlichen Izbica, das von gepflügten Feldern umgeben ist. Zwei Dorfbewohner wurden interviewt, die von Massengräbern in Izbica nichts wissen und die „Lügen“ des US-Nachrichtensenders CNN verurteilen.

Der jugoslawische Nachrichtensprecher nannte die Bilder Fälschungen und Computeranimationen. Das Dorf habe nur 70 Einwohner gehabt, wie könnten da 150 Männer erschossen und begraben worden sein? Die Nato habe sich ein kleines und abgelegenes Dorf ausgesucht, um ihre Lügen zu produzieren, in der Annahme, daß niemand hingehen und nachsehen könne. Rubin kündigte an, das Videoband werde dem Internationalen Tribunal zur Verfolgung von Kriegsverbrechen in Den Haag übergeben.

Das jugoslawische Fernsehen behauptet, in dem Dorf mit den angeblich 150 Leichen hätten nur 70 Menschen gelebt.

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