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Ticket statt Knast

■ Justizbehörde plant HVV-Ticket als Bewährungsauflage für Schwarzfahrer

Die Hamburger Justizbehörde prüft, ob mehrfach straffällig gewordenen Schwarzfahrern künftig eine Monatsfahrkarte verordnet werden soll. Es werde überlegt, Schwarzfahrer, die zu Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt worden seien, nach ihrer Entlassung mit einem HVV-Sozialticket auszustatten, erklärte Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit (SPD) gestern. Immerhin gehörten diese Menschen fast ausnahmslos zu den sozial Schwachen, die ersatzweise ins Gefängnis gehen, weil sie die Geldstrafe nicht bezahlen können.

„Dabei geht es nicht darum, dieser Personengruppe eine Monatskarte zu schenken“, erklärte die Senatorin. „Es darf nicht sein, daß der Ehrliche, der sich eine Fahrkarte kauft, letztlich der Dumme ist.“ Es werde geprüft, den Betroffenen ihre Sozialhilfe um die Kosten des Tickets von monatlich 30 Mark zu kürzen. Ziel sei es, die überfüllten Gefängnisse zu entlasten.

Nach Angaben von Justizsprecherin Annette Pflaum können zehn Prozent der zu einer Geldstrafe verurteilten Schwarzfahrer diese nicht bezahlen und müßten deshalb eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Pro Tag koste ein Gefangener den Steuerzahler rund 180 Mark. Laut Pflaum steckt das Projekt „noch nicht mal in den Kinderschuhen, sondern noch in den Baby-Schuhen“. Erst wenn die behördeninterne Diskussion abgeschlossen sei, werde die Justizbehörde mit der Sozial- und Baubehörde in Beratungen treten, um die Pläne zum „Schwarzfahrer-Ticket“ in die Realität umzusetzen.

Zustimmung zu dem Projekt signalisierte Bettina Kähler von der GAL. Das mit Hilfe der Grünen angeschobene Sozialticket sei durchaus ausbaufähig. Besser wäre jedoch, wenn Schwarzfahren künftig nicht mehr als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit behandelt würde. Für die SPD-Fraktion gibt es nach den Worten ihres Sprechers Armin Huttenlocher noch sozialpolitischen und juristischen Klärungsbedarf. Die CDU-Abgeordnete Viviane Spethmann meldete rechtliche Zweifel an. „Der Erwerb von Fahrkarten ist ein Rechtsgeschäft zwischen den Verkehrsunternehmen und ihren Kunden. Ich sehe nicht, wie ein erzwungener Erwerb in unserem Rechtssystem unterzubringen ist.“ lno/kva

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