: Vom Markt gefegt
■ Für kleine Hersteller von WKA hängen die Trauben immer höher
Jens-Erik Kristensen, Präsident des dänischen Windturbinen-Herstellers NEG Micon, gab sich Anfang des Jahres gelassen. Nein, Firmenzukäufe seien in diesem Jahr nicht geplant: „Wir haben unsere vor zwei Jahren beschlossenen strategischen Ziele umgesetzt.“ Ein paar Wochen später wurde bekannt, daß Kristensen mit der Vindkompaniet i Hamse AB, größter Windkraftplaner und -betreiber in Schweden, über eine Übernahme verhandelte. Das paßt ins Bild: Wie kein anderes Unternehmen hat NEG Micon, selbst entstanden aus der Fusion zwischen Nordtank und Micon, die Windszene in den vergangenen Monaten kräftig durcheinander gewirbelt. Der Börsengang vor rund zwei Jahren hat reichlich Geld in die Micon-Kassen gespült, allein bis Sommer 1998 hatte sich mit 740 Kronen der Ausgabekurs an der Kopenhagener Börse mehr als verdoppelt. Dafür erwarb der weltweit zweitgrößte Windtechnik-Anbieter nicht nur zwei britische Rotorblatthersteller sowie einen dänischen Meßtechnik-Zulieferer, sondern schluckte auch den niederländischen Konkurrenten NedWind und die Firma WindWorld af 1997 A/S aus dem heimischen Aalborg. Ehemals vier selbständige Windturbinen-Hersteller firmieren jetzt unter einem Logo, besser läßt sich die seit Jahren laufende Konzentration in der Windbranche nicht demonstrieren.
Für den durchsetzungsfähigen NEG Micon-Chef ist es eine ausgemachte Sache, daß sich die Konzentrationsspirale weiterdrehen wird: „Ich muß mir nur den Offshore-Bereich anschauen, die Entwicklungskosten in zweistelliger Millionenhöhe für diese Maschinen überfordern die kleineren Hersteller.“ Diese Entwicklung erwartet auch der amerikanische Windkraft-Experte Paul Gipe – und nicht nur das: „Das Offshore-Business wird neue Player wie die französische Framatome Jeumont Industry oder die deutsche Siemens AG auf den Plan rufen.“ Daß es in Zukunft nur noch vier bis sechs große Hersteller auf dem Windturbinen-Markt geben wird, wie Paul Gipe vermutet, will Birger Madsen so nicht unterschreiben: „Das ist die bekannte Eine-Million-Dollar-Frage.“ Allerdings sieht der Chef der BTM Consult ApS aus dem jütländischen Ringkøbing, dessen „World Reports“ zu den begehrtesten Marktprognosen zählt, die Zukunft der kleineren Hersteller auch nicht im aller rosigsten Licht: „Für externe Anbieter, die ins Windkraft-Geschäft drängen, bietet sich der Einstieg oder der Aufkauf solcher Firmen an, da niemand mehr ganz unten bei der Entwicklung beginnen will.“
Viele kleine Firmen sind aber nicht mehr aufzukaufen, was der deutsche Markt, der weltweit größte, leicht zeigt. So entfielen Ende 1998 auf die sechs größten Firmen Enercon, Nordex, Vestas Deutschland, AN Windenergie, Tacke Windenergie sowie NEG Micon – gemessen an der neu installierten Leistung – ein Marktanteil von 87,5 Prozent. Berücksichtigt man die Fusion von NEG Micon mit WindWorld sowie die Anfang dieses Jahres vollzogene 75prozentige Beteiligung der Nordex Balcke Dürr AG an dem Berliner Hersteller Südwind Energiesysteme GmbH, so erhöht sich der Marktanteil der großen sechs auf rund 91 Prozent.
Die Aufteilung des bundesdeutschen Marktes kommt nicht überraschend. Schon Ende 1992 entfielen auf die größten sechs Anbieter, wiederum gemessen an der neu installierten Leistung, ein Marktanteil von rund 75 Prozent. Damals schmückten die Kuchengrafiken des Deutschen Windenergie-Institutes aus Wilhelmshaven aber noch Namen wie die Husumer Schiffswerft (Marktanteil von 12,4 Prozent), Lagerwey, Krogmann, Ventis oder Windtechnik-Nord. Mittlerweile spielen diese Firmen nur noch eine unbedeutende Rolle oder sind – gone with the wind – vom Markt gefegt.
Seit vier Jahren tummelt sich die Lübecker DeWind Technik GmbH auf dem deutschen Markt. An Aufgabe denkt Geschäftsführer Hugo Schippmann überhaupt nicht. Er ist so selbstbewußt, anzukündigen, daß Ende diesen Jahres nicht von sechs, sondern von sieben großen Anbietern auf dem bundesdeutschen Markt gesprochen werden muß: „Mit einem angestrebten Umsatz von 100 Millionen Mark zählt man nicht mehr zu den Kleinen der Branche.“ 70 Anlagen der 600-kW-Klasse sowie 40 bis 50 Stück der neuen Megawatt-Maschine sollen in diesem Jahr aus den ostholsteinischen Produktionshallen rollen. Außerdem will Schippmann das Exportgeschäft ankurbeln. Spanien, Irland, Japan, China und mittelfristig die Türkei haben die Lübecker ins Visier genommen: „Für die Auslandsaufträge kommt uns entgegen, daß unsere Anlage als Container-Version verschiffbar ist“, so Hugo Schippmann.
Trauen sich die Lübecker zu, weiter als Einzelkämpfer im Markt zu bestehen, so suchen andere Hersteller ihr Heil in Allianzen. Bestes Beispiel dafür ist die Jacobs Energie GmbH aus Heide. Die Dithmarscher stehen ohnehin schon in enger Kooperation mit der Husumer Schiffswerft (HSW) und arbeiten mit der Brandenburgischen Wind- und Umwelttechnologie GmbH (bmu) zusammen. Für den Vertrieb einer neu entwikkelten 1,5-MW-Anlage konnte das Trio Joachim Fuhrländer gewinnen, Chef des gleichnamigen Herstellers aus dem Westerwald. „Von der regionalen Aufteilung haben wir mit der neuen Arbeitsgemeinschaft eine Schlagkraft gewonnen, die die Voraussetzung für den Erfolg der neuen Anlage schafft“, gibt sich Volker Hansen, Vertriebsleiter bei Jacobs Energie, optimistisch. Die Kooperation allein reiche aber nicht zum Überleben aus: „Wir setzen auf die Betreibernähe, eine hervorragende Technik sowie eine Flexibilität, die ein großes Unternehmen nicht bieten kann“, lauten Hansens Erfolgsfaktoren für die Zukunft. Ähnlich klingt es bei Joachim Fuhrländer: „Unser Trumpf ist unsere Kundennähe.“ Wer eine Fuhrländer-Anlage kaufe, der wisse, daß er bei Störungen beim Chef auch persönlich an der Haustür klingeln kann. Für eilige Reparaturen zu entfernteren Standorten hat Fuhrländer mittlerweile einen Hubschrauber-Service arrangiert. Daß es auch bei der Marktauswertung 1999 kleinere Anbieter geben wird, ist für Joachim Fuhrländer eine ausgemachte Sache: „Wir haben unsere Existenzberechtigung, aber wir müssen einiges dafür tun.“ Ralf Köpke
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