: Gen-Essen ist sicher – oder wenigstens ziemlich?
■ Geheimkomitee der Briten aufgedeckt. EU stoppt Gen-Zulassung wegen Studie
Berlin (taz) – Die britische Regierung hat gestern in London ihre feste Meinung geäußert, daß genverändertes Essen nicht von vorneherein gefährlich ist – so jedenfalls zitierte sie aus dem neu vorgestellten Bericht ihrer Chefberater im Bereich Wissenschaft und Medizin. Gleichzeitig hat der Sender BBC jedoch einen internen Brief des Kabinettssekretariats von Premierminster Blair veröffentlicht, der beschreibt, wie das gestrige Statement zustande gekommen ist. Demnach wurde der Bericht des Chefwissenschaftlers Robert May umgeschrieben, „um sicherzustellen, daß er von Laien auch verstanden wird“, so der Brief, der in die Hände der Umweltgruppe Friends of the Earth gelangt war.
En passant erfuhren die Briten so auch, daß es innerhalb der Regierung ein Biotechnology Presentation Committee gibt – ein Gremium mit wichtigen Ministern, das die sehr kritische britische Öffentlichkeit für das Gen-Essen gewinnen soll. Das Committee hat sogar die Plazierung von „unabhängigen“ Wissenschaftlern in den Medien geplant. Diese sollen unterstützende Berichte für das Gen-Food liefern.
Solche Undercover-Propaganda dürfte in nächster Zeit auch nötig sein. Denn die unabhängige Wissenschaft spielt den Gen-Food-Befürwortern derzeit nicht gerade in die Hände. So erschien vorgestern in der Wissenschaftszeitschrift Nature eine Studie, die für einigen Wirbel sorgt. Der Genmais des Schweizer Konzerns Novartis killt demnach 50 Prozent der berühmten Monarch- oder Königs-Schmetterlingscharen, die sich um die Maisfelder im Mittleren Westen der USA tummeln.
Der Novartis-Mais trägt ein Gen des Bakteriums Bt, das ein Gift gegen den gefürchteten Insektenschädling Maiszünsler liefert. Andere Insekten wären nach bisherigen Angaben des Herstellers nicht gefährdet. Forscher der Cornell-Universität haben nun das Gegenteil bewiesen, indem sie Pollen des Genmaises an die Schmetterlingslarven verfütterten. Damit gerät die wirtschaftlich erfolgreichste genveränderte Pflanze überhaupt unter Beschuß.
Nach Ansicht des Leiters der Untersuchungen, des Entomologen John Losey, ist ein einfaches Urteil über den Genmais jedoch schwierig. Loseys Meinung nach müssen die potentiellen Vorteile wie weniger Pestizideinsatz und die augenscheinlichen negativen Effekte auf einzelne Arten gegeneinander abgeschätzt werden.
Die EU-Kommission hat jedenfalls auf die Nachricht aus der Wissenschaft prompt reagiert. Sie hat laut der Nachrichtenagentur AFP noch am Donnerstag die Zulassungsverfahren für solche Produkte ausgesetzt. „Wir glauben zwar nicht, daß eine unmittelbare Gefahr besteht, aber wir ergreifen Vorsichtsmaßnahmen“, sagte Kommissionssprecher Peter Jorgensen am Donnerstag in Brüssel. Die EU genehmigte bereits den Anbau zweier Arten von gentechnisch verändertem Mais der Firmen Monsanto und Novartis. Bislang seien jedoch nur wenige Felder ausgesät, sagte Jorgensen. Hinsichtlich der beiden bereits zugelassenen Maissorten seien keine Maßnahmen ergriffen worden. „Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen“, sagte der EU-Sprecher unter Hinweis auf die Tatsache, daß die Studie ausschließlich auf Laborbedingungen basiert. Maria Kleinschroth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen