: Hoffnung auf einen Abzug vom Golan
Israels Wahlsieger und künftiger Regierungschef Ehud Barak scheint es ernst zu meinen: Laut Medienberichten will er den besetzten Höhenzug zu weiten Teilen an Syrien zurückgeben. Prinzip: Land gegen Frieden ■ Von Karim El-Gawhary
Kairo (taz) – Das offizielle Damaskus hüllt sich nach der Wahl des neuen israelischen Ministerpräsidenten in Schweigen. Doch hinter den Kulissen hofft die syrische Führung auf eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit Israel. Und die ersten Signale Ehud Baraks klingen vielversprechend. Die britische Sunday Times berichtete am Wochenende von einem Plan der Sicherheitsberater Baraks Demnach soll sich Israel bereit erklären, seine Truppen aus dem überwiegenden Teil des 1967 besetzten Golan zurückzuziehen. Auf beiden Seiten der Grenze sollte dann eine je 25 Kilometer breite entmilitarisierte Zone entstehen. US-amerikanische oder europäische Truppen sollen sie überwachen. Im Gegenzug erwartet Israel die Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen mit Syrien.
Sollte der Bericht zutreffen, bedeutet das eine Wiederbelebung der syrisch-israelischen Friedensverhandlungen. Vor drei Jahren hatte Baraks Vorgänger Benjamin Netanjahu den Kontakt zu den Syrern zusammenbrechen lassen. Der Golan sei und bleibe unter allen Umständen unter israelischer Kontrolle, hieß es von seiner Regierung. Den Syrern blieb nur, auf einen Wechsel in Jerusalem zu hoffen.
Diese Hoffnung wurde vor einer Woche erfüllt und damit auch jene, daß bei den syrisch-israelischen Verhandlungen wieder da abgeknüpft wird, wo Netanjahus Vorgänger, Jitzhak Rabin und Schimon Peres, aufgehört hatten. Damals war es fast zum Durchbruch gekommen. Manche Stimmen behaupteten gar, ein Vertragswerk habe bereits unterschriftsreif vorgelegen, als Schimon Peres im Frühjahr 1996 vorgezogene Neuwahlen ausrief und von Netanjahu abgelöst wurde.
Das erste Mal hatten sich Syrer und Israels mit dem Beginn der Madrider Nahostgespräche 1991 zusammengesetzt. Doch mit der damaligen Likud-Regierung unter Jitzhak Schamir erwies sich das Unternehmen als ein „Dialog zwischen Taubstummen“. Das änderte sich mit der Wahl Rabins, als Israel in der sechsten Verhandlungsrunde mit Syrien das Prinzip „Land für Frieden“ im Zusammenhang mit dem Golan akzeptierte. Syrien für seinen Teil stimmte zu, daß ein israelischer Rückzug vom Golan den Friedensverhandlungen nicht vorangehen müsse und erklärte sich bereit, die israelische Forderung nach Sicherheitsgarantien zu erwägen. Statt eines tatsächlichen Rückzugs forderte Syrien, daß sich Israel zuerst zu einem kompletten Rückzug aus dem Golan bereit erklären müsse, bevor Syrien bereit sei, über einen Friedensvertrag zu diskutieren. Die israelische Seite lehnte ab.
Die geheimen Osloer Verhandlungen mit den Palästinensern waren angelaufen und schließlich im September 1993 mit dem ersten israelisch-palästinensischen Abkommen abgeschlossen worden. Ein Friedenschluß mit Syrien sei für die israelische Bevölkerung „zuviel auf einmal zu verdauen“, hieß es inoffiziell aus Jerusalem. Als es dann mit den Palästinensern nicht mehr so recht weiterging, wandten sich die Israelis 1994 wieder den Syrern zu. Rabin begann die israelische Öffentlichkeit auf einen Rückzug aus dem Golan vorzubereiten. Laut israelischen Presseberichten lagen die Rückzugspläne bereits in der Schublade. Die Kosten sollten laut einer Studie der Universität Haifa etwa 15 Milliarden Mark betragen, meist für Kompensationszahlungen an die 13.000 israelischen Siedler auf dem Golan.
Als Hauptstreitpunkt erwies sich der zeitliche Ablauf. Israel bot einen Abzug innerhalb von fünf Jahren in drei Phasen an. Dafür wurde die Aufnahme voller diplomatische Beziehungen erwartet. Die Syrer lehnten ab. Doch die Verhandlungen gingen weiter und die israelischen Unterhändler begannen sich langsam von der Idee eines Rückzugs in Phasen zu verabschieden.
Nun erwies sich das militärische Verhandlungskomitee als eines der Haupthindernisse. Dessen Vorsitzender, der damalige israelische Oberbefehlshaber und heutige Ministerpräsident Ehud Barak, blockierte ein weiteres Vorankommen. Er verlangte eine Verringerung der syrischen Armee und einen Rückzug der syrischen Truppen von ihrem eigenen Gebiet bis fast an die Stadtgrenze von Damaskus. Die Syrer ließen sich im Juni 1996 teilweise auf die entmilitarisierten Zonen ein. Am Ende blieb als Hauptstreitpunkt Israels Forderung nach einer Frühwarnanlage auf dem Hermon, dem höchsten Berg des Golan.
Dennoch einigte man sich auf fortlaufende ununterbrochene Verhandlungen. Der damalige syrische Chefunterhändler und Botschafter seines Landes in den USA, Walid al-Muallim erinnerte sich in einem Interview: „Wir hatten uns ein Ultimatum bis zum Juni 1996 gesetzt, um alle Teile des Abkommens zu einem Abschluß zu bringen. Das Ganze sollte dann einem speziellen Komitee übergeben werden, das dafür verantwortlich sein sollte, den Entwurf zu schreiben. Wir haben erwartet, daß das Dokument bis zum September fertig sein würde.“
Doch es kam anders. Erst wurde Jitzak Rabin ermordet, und Peres trat die Nachfolge an. Dann brachten Bombenattentate von Hamas und die israelische Militäraktion „Früchte des Zorns“ im Libanon die Verhandlungen zum Stillstand. Schimon Peres berief für Mai 1996 Neuwahlen ein und verlor gegen Netanjahu. Die syrisch-israelischen Verhandlungen waren gestorben.
Für die Regierung Benjamin Netanjahus galt: Der Golan ist und bleibt unter vollständiger israelischer Kontrolle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen