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Das neue Umweltrecht wird zur Hängepartie

■ Eigentlich wollte Rot-Grün die Vorschriften zum Umweltschutz in einem einzigen Gesetzbuch zusammenfassen. Doch die Regierung schiebt das Vorhaben auf die lange Bank

Berlin (taz) – Die rot-grüne Bundesregierung sitzt ein weiteres zentrales Umweltthema aus. Auf der heutigen Sitzung des Bundeskabinetts wird Umweltminister Jürgen Trittin zwar seine Vorstellungen für ein neues Umweltgesetzbuch (UGB) darlegen – doch auf Begeisterung bei seinen Kabinettskollegen stößt er dabei nicht. Denn vor allem die Ressorts für Inneres, Justiz und Wirtschaft machen Front gegen den Gesetzenwurf, der als eines der „Top-10-Themen“ des grünen Ministeriums gilt. Wird das Gesetz nicht bald verabschiedet, ist es nach Meinung der grünen Fraktion „für diese Legislaturperiode erledigt“.

Der Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen ist zum Thema UGB eindeutig: „Das zersplitterte Umweltrecht wird in einem Umweltgesetzbuch zusammengeführt, um es effizienter und bürgernäher zu gestalten“, heißt es in der Geschäftsgrundlage für die rot-grüne Koalition. Bisher nämlich sind die Vorschriften zum Thema Umwelt über alle möglichen Gesetze und Verordnungen verteilt.

Das Umweltministerium will schon seit Jahren zusammenschreiben, was zusammengehört: In Zukunft soll es etwa ein allgemeines Verfahren für die Genehmigung von Straßen oder Industrieanlagen geben, um die Vorschriftenflut zu reduzieren. Auch aus Brüssel kommt Druck: Zwei EU-Richtlinien zum Genehmigungsverfahren müssen schnellstmöglich umgesetzt werden, wenn Deutschland nicht ein EU-Vetragsverletzungsverfahren riskieren will.

Der nun vorliegende Entwurf aus dem Umweltministerium ist bereits eine abgespeckte Variante, die hinter den Erwartungen der Umweltverbände zurückbleibt. „Das ist nicht der große Wurf, aber der Gesetzentwurf hat eine Signalwirkung“, sagt der grüne Abgeordnete Winfried Hermann, stellvertretender Vorsitzender im Umweltausschuß. „Außerdem soll das Gesetz Schritt für Schritt um neue Gebiete erweitert werden.“

Das aber gehört zu den Befürchtungen, die andere Ressorts gegen das UGB hegen. Man wolle verhindern, daß ein eigenes Verwaltungsverfahrensrecht entstehe, argumentiert die Sprecherin des Innenministeriums, Kerstin Kiessler. Vor allem aber haben die Ministerien für Inneres und Justiz verfassungsrechtliche Bedenken, „weil es keine alleinige Bundeskompetenz für die Regelung dieser Sachverhalte gibt“, so Kiessler. Das ist ein alter Streit: Das Umweltministerium beruft sich auf andere Rechtsmeinungen, die einen Eingriff in die Länderhoheit durchaus für möglich halten – zumal die Länder diese Kompetenzen an den Bund abtreten würden, so das BMU. Das Wirtschaftsministerium dagegen geht davon aus, daß dafür eine Verfassungsänderung notwendig wäre – und die kostet Zeit. „Wir wollen aber die EU-Richtlinien so schnell wie möglich umsetzen, um Planungssicherheit für die Wirtschaft zu garantieren“, sagt Frank Krüger vom Wirtschaftsministerium.

Doch Trittin kämpfe auch gegen Argumente,„die mehr ideologischer Natur sind“, heißt es aus seinem Ministerium. So befürchteten die Ressortkollegen neben einer Änderung des Status quo auch eine generelle Stärkung des Umweltschutzes bei der Planung. Umweltpolitikern und den Umweltverbänden wiederum geht der Trittin-Entwurf nicht weit genug: Sie bemängeln, daß das versprochene Verbandsklagerecht nicht im UGB enthalten sei, daß die Vorschriften zur Informationspflicht der Behörden Lücken hätten oder daß den Firmen die Selbstkontrolle ihrer Umweltvorschriften ermöglicht werden soll.

Die Front der UGB-Ablehner schlägt als Alternative ein Artikelgesetz vor: Die Vorschriften würden dann einzeln geändert. Das wäre durchsetzbar, würde aber das Ziel aufgeben, das die Koalitionsvereinbarung vorgibt. Die ist nach einem Ausspruch von Kanzler Schröder ohnehin „nicht die Bibel“; Änderungen und Verschiebungen sind also möglich. Bernhard Pötter

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