: „Der Mann muß seine Sachen packen und für sieben Tage gehen“
■ Schläger sollen ein befristetes Hausverbot bekommen. Vorbild ist Österreich. Barbara Prammer, dortige Frauenministerin, zieht Bilanz
taz: Frau Prammer, haben es die Männer in Österreich schwerer als die Männer in Deutschland?
Barbara Prammer: Darum geht es doch nicht. Wir wollen Frauen und Kinder besser vor Gewalt schützen.
Was ist der Kern dieses Gesetzes?
Uns ist der Schutz der Frauen und Kinder vor Gewalt in der eigenen Familie wichtiger als das Eigentum.Wer gewaltätig wird, muß die gemeinsame Wohnung oder das Haus verlassen, gleichgültig wie die Eigentumsverhältnisse aussehen.
In der Vergangenheit hatten Frauen häufig Angst vor ihren gewalttätigen Männern. Auch wenn die Polizei von jemandem in der Nachbarschaft gerufen wurde, verzichteten sie oft auf eine Anzeige.
Heute spricht die Polizei bei Verdacht auf Gewalt vor Ort eine „Wegweisung“ aus: Der Mann bekommt Zeit, ein paar persönliche Sachen einzupacken, und muß für sieben Tage verschwinden.
Wohin werden die Männer weggewiesen?
Die Männer haben sich selber darum zu kümmern, und ich habe damit überhaupt kein Problem, daß sie sich unter Umständen auch in ein Hotel einquartieren müssen. Jahrzehnte hat sich niemand Gedanken darüber gemacht, wohin die Frauen flüchten. Jetzt ist es endlich einmal so, daß die Richtigen, nämlich die Täter, gehen müssen.
Was soll damit erreicht werden?
Innerhalb der sieben Tage kann sich die Frau, aber auch der Mann in Ruhe überlegen, wie es weitergehen soll. Die Frau kann auch entscheiden, ob sie überhaupt wieder mit diesem Mann zusammenleben will oder mit einer einstweiligen Verfügung eine Verlängerung des Schutzes beantragen möchte.
Wer sagt denn, daß den Frauen damit geholfen ist?
Mit dieser Frage haben wir uns oft auseinandersetzen müssen. Befürchtet wurde, daß die Aggressionen der Männer gegenüber den Frauen durch die Wegweisung nur steigen und sie ihre Wut später erst recht an den Frauen auslassen. Das ist aber nicht der Fall. Die Aggression ist zwar da, aber sie richtet sich vor allem gegen die Polizei.
Warum?
Die Gesellschaft schützt jetzt die Frau. Die Frauen müssen nicht selbst aktiv werden, sie brauchen sich nicht selbst zu schützen. So kommen sie auch nicht mehr in die Situation, sich sofort für oder gegen eine Anzeige entscheiden zu müssen. Und sie gewinnen Zeit.
Wie wird das Gesetz von den Österreichern angenommen?
Ich bin selbst überrascht, wie positiv die Reaktionen sind. Im vergangenen Jahr wurden 2.673 Männer aufgrund dieses Gesetzes aus ihrer Wohnung gewiesen. In der Öffentlichkeit gibt es eigentlich nur Zustimmung.
Nur im Vorfeld gab es Probleme, weil man immer geglaubt hat, so ein Gesetz könne nicht greifen. Inzwischen ist sogar die Polizei sehr dankbar.
Wo sehen Sie nach zweijähriger Erfahrung Korrekturbedarf?
Wir wollen jetzt die Fristen der Wegweisung auf zwei Wochen verlängern. Es hat sich doch gezeigt, daß sich viele Frauen mit einer Woche, in der sie viele Entscheidungen treffen müssen, überfordert fühlen.
Wie kommt es, daß gerade Österreich in der Frauenpolitik eine Vorreiterrolle spielt?
Sehr aktive Frauen und eine kooperativ arbeitende Regierung zum einen. Zum anderen aber auch die Häufigkeit von Gewalt gegen Frauen in den Familien. Ich glaube, daß solche Probleme in Österreich ein größeres Thema sind. Die Auffassung ist hier noch sehr weit verbreitet, daß das, was in der Familie passiert, für die Öffentlichkeit tabu ist. Interview: Yvonne Wieden
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