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Tick, Trick und Track gewinnen EM

Roboterfußball ist nur ein Abfallprodukt der Software-Entwickler, beim 2. Eurocup aber zeigt sich, daß hier schnell Spitzensportmentalität einkehrt    ■ Aus Dortmund Michael Becker

Abpfiff, geschafft. Das deutsche Team hat soeben im Halbfinale der Fußball-Europameisterschaft England mit 7:1 vom Platz gefegt und sich für das Finale qualifiziert. Ein Szenario, in dessen Genuß wir in naher Zukunft nicht kommen werden, sagen Sie? Vermutlich nicht, wenn wir auf Erich Ribbeck und Lothar Matthäus vertrauen. Aber zum Glück gibt es seit vier Jahren den Roboterfußball.

An der Universität Dortmund spielten in dieser Woche fünf Teams um den zum zweiten Mal ausgespielten Europameistertitel. Auf einem 1,50 Meter mal 1,30 Meter großen Feld versuchen jeweils drei würfelförmige kleine Roboter auf Rädern, einen orangefarbenen Golfball ins gegnerische Tor zu bugsieren. „Wir haben noch einige Probleme mit dem Drang zum Tor. Das Stellungsspiel hingegen ist schon recht gut“, sagt Kurt Liebermann, Mitarbeiter der Dortmunder Arbeitsgruppe, die das deutsche Team, den „Roboter Verein Borussia 99“, auf die Räder gestellt hat.

So unscheinbar die kleinen Kisten mit einer Kantenlänge von 7,5 Zentimetern auf den ersten Blick auch wirken mögen, so groß ist der technische Aufwand, der ein solches Fußballspiel zwischen Robotern erst möglich werden läßt. In zwei Metern Höhe über dem Spielfeld ist für jedes Team eine Kamera installiert. Zirka dreißig Bilder dieser Kamera werden pro Sekunde von einem Rechner in digitale Daten umgewandelt, die Auskunft über die Positionen der einzelnen Roboter und des Balles geben. Eine eigens entwickelte Software entscheidet dann innerhalb von Millisekunden über die nächsten Spielzüge der rollenden Blechbüchsen.

Menschliche Einflußnahme in Form von neu eingegebenen Befehlen oder sogar Fernsteuerung der Roboter ist während der zweimal fünf Minuten Spielzeit nicht erlaubt. Das Stichwort heißt künstliche Intelligenz. „Die Software soll es den Robotern ermöglichen, unter sich verändernden Bedingungen selbständig miteinander zu kooperieren“, erklärt Professor Dr. Peter Kopacek, Kopf eines Forscherteams der technischen Universität Wien. Seit zwei Jahren beschäftigt Kopacek sich nun mit solchen „Multi-Agenten-Systemen“. Lohn der Arbeit: Kopaceks „Team Austro“ wurde mit einem 6:1-Finalsieg über die Dortmunder Roboter neuer Europameister.

„Im letzten Jahr haben wir die Meisterschaft selbst ausgerichtet. Daher verfügen wir über Erfahrung, die dem deutschen Team noch fehlt“, lautet Kopaceks bescheidene Erklärung für die Überlegenheit seines Teams, um dann verschmitzt und mit sichtlicher Freude im Jargon eines Bundesligatrainers fortzufahren: „Wir haben vor allem unsere Schnelligkeit enorm verbessert und viel an unseren Standardsituationen gearbeitet. Hier müssen die Deutschen noch einiges dazulernen.“

Natürlich nimmt kein Wissenschaftler mehrjährige Forschungsarbeit auf sich, um vor zirka einhundert Studenten in einem Hörsaal der Dortmunder Universität Europameister im Roboterfußball zu werden. Der Kick ist lediglich eine werbewirksame Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der neuesten Software zu testen, mit deren Hilfe Roboter in den verschiedensten Bereichen eingesetzt werden sollen.

„Wenn wir soweit sind, daß die Roboter völlig autonom auf Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren und für die entsprechende Situation angemessene Entscheidungen treffen können, ist zum Beispiel die vollautomatische Produktion von Automobilen denkbar“, so Kopacek. Professor Dr. Bernd Reusch vom Lehrstuhl Informatik 1 der Dortmunder Universität ist etwas skeptischer. „Wir unternehmen hier unvollkommene Versuche, das menschliche Gehirn im Rechner abzubilden. Ich halte es jedoch für unmöglich, wirkliche Intelligenz zu erzeugen“, sagt der Dortmunder Forscher.

Wie ernst sind also die kickenden Kisten zu nehmen? „Der Bezug zu praktischen Anwendungen in der Industrie ist gegeben. Dennoch betrachten wir den Roboterfußball definitiv als eine Spielerei“, stellt Reusch klar. Doch wie im richtigen Sport beginnen auch im noch jungen Roboterfußball in der Weltspitze bereits die Grenzen zwischen spektakulärem Spaß und verbissenem Ernst zu verschwimmen. Heißen die frischgebackenen österreichischen Europameister Tick, Trick und Track, so ist es in Korea, im Land des amtierenden Weltmeisters, üblich, die kleinen Roboter nach hochdekorierten Militärs vergangener Tage zu benennen. Ein Hinweis auf die weiteren möglichen Anwendungsgebiete der beim Roboterfußball spielerisch getesteten Technologie.

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