: Erste bescheidene Geländegewinne
■ Die Kosovo-Befreiungsarmee ist nach eigenen Angaben in der Lage, erobertes Terrain zu halten und serbische Verbände in die Flucht zu schlagen. Noch fehlen ihr schwere Waffen
Die Moral der serbischen Truppen sinkt, die Desertionen mehren sich, die Nato-Angriffe zeigen Wirkung. Dies ist die Botschaft der westlichen und kosovo-albanischen Militärs, die dieser Tage in Makedonien und Albanien kursiert. Viele Anzeichen sprechen für die Richtigkeit der Angaben. Die Bombardierungen haben die Mobilität der serbisch-jugoslawischen Truppen erheblich eingeschränkt. Versorgungskonvois können nicht mehr ungehindert die Truppenteile in den Bergen an den Grenzen zu Albanien und Makedonien versorgen. Die Kommunikation zwischen den Befehlszentralen und den Truppenteilen draußen ist gestört. Nach Berichten von Vertriebenen versuchen die serbischen Truppen sich zu schützen, indem sie ihre Unterkünfte verlassen und in albanischen Häusern unterkommen.Dagegen werden Kosovo-Albaner in den Unterkünften der Militärs gefangengehalten. Aus von Journalisten abgehörten Gesprächen geht hervor, daß der Benzinmangel die Mobilität der Truppen weiterhin einschränkt.
Die Kosovo-Befreiungsarmee UÇK versucht die Lage für sich zu nutzen. Von Albanien aus sickern immer mehr Truppen der UÇK in die Randzonen Kosovos ein. Die bisher einzige Frontlinie bei Koshare östlich der nordalbanischen Stadt Tropolje konnte zwar noch nicht über einen Streifen von 20 Kilometer Länge und 8 Kilometer Breite ausgeweitet werden, der UÇK gelang es aber von der albanischen Stadt Kukäs aus bei Prizren eine neue Front zu eröffnen und einen schmalen Streifen Terrain zu sichern. Nach Angaben von Pressesprechern sollen die UÇK-Truppen kurz vor der Rückeroberung der Stadt Junik stehen. Gelänge dies, könnte ein Durchstoß auf die wichtige Straße Djakova-Prizren erfolgen und damit im Inneren operierende und abgeschnittene Einheiten entsetzen.
Einen Rückschlag erlitt die UÇK durch ein Bombardement ihres Hauptquartiers in Koshare durch Nato-Flugzeuge vor einer Woche. 7 Soldaten starben, mehr als 15 wurden verletzt. Die Entschuldigung der Nato wurde ohne größere Proteste hingenommen. Hashim Thaci, Premierminister der UÇK-Regierung in Tirana, erklärte am Dienstag in Kukäs, die Nato habe einen bedauerlichen Fehler begangen. Er forderte eine stärkere Unterstützung seiner Truppen durch die Nato und sprach die Hoffnung aus, daß das Waffenembargo gegenüber der UÇK gelockert würde, einige „ befreundete demokratische Staaten“ bemühten sich in dieser Richtung. Ein Anzeichen für die Verbesserung der Lage der UÇK ist die leichte Artillerie, die von der UÇK an der albanischen Grenze eingesetzt werden kann. Grundsätzlich mangelt es jedoch weiterhin an Waffen aller Art. Zehntausende von kampffähigen Männern müssen angesichts des Mangels selbst an Handfeuerwaffen abwarten, ohne in die Kämpfe eingreifen zu können. Benötigt werden vor allem panzerbrechende Waffen, die im Inneren Kosovos eingesetzt werden könnten.
Trotz des Mangels an Waffen sind auch dort UÇK-Truppen aktiv. Zunehmend sickern bewaffnete Kräfte von Makedonien aus in die menschenleeren Gebiete Kosovos ein. Sie werden in Ausbildungslagern jenseits der Grenze trainiert. In der Region Drenica, in Podujevo und Trepca versuchen UÇK-Einheiten serbische Konvois zu überfallen. Die serbischen Truppen sind einem zermürbenden Kleinkrieg ausgesetzt, der tägliche Verluste bis zu zehn Mann kostet. Immer öfter meldet Kosovapress, die Presseagentur der UÇK, die Erbeutung von Munition und Waffen durch die Einheiten der Befreiungsarmee. So am 20. Mai in den Golesh-Bergen in Zentralkosovo, wo die „114. Fehmi Lladrovci Brigade eine serbische Raketenstellung zerstört und große Mengen Munition erbeutet“ haben soll.
Der Luftkrieg und die Guerillatätigkeit der UÇK verunsichern die serbischen Truppen immer mehr. 1.000 serbische Soldaten sind laut montenegrinischen Berichten nach vorausgegangenen Demonstrationen ihrer Angehörigen nach Kruevac und Aleksandrovac in Südserbien zurückgekehrt. Die Soldaten hätten die Beendigung des Krieges und die Demobilisierung verlangt.
Für die paramilitärischen serbischen Verbände ist nach den profitablen Raubzügen ein Stillstand eingetreten, es gibt kaum noch Kosovo-Albaner in der Gewalt der Serben, die über Geld oder Wertsachen verfügen. Kosovo-albanische Vertriebene berichten von dem Auszug vieler serbischer Zivilisten aus dem Kosovo. Die Mehrheit der serbischen Zivilbevölkerung aus Prizren sei geflohen. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen