: „Reclaim your street“
■ Bremens Straßen leben wieder: Punk-Konzert am Sielwall, APPD-Bundesparteitag am Ziegenmarkt und Westernhagen am Osterdeich / Leider auch Krawalle (vgl. S. 21)
„Reclaim your street“ – das Motto des Wochenendes: Unangemeldetes Punkkonzert am Sielwall (Erfinder des Mottos), Open-air-Bundesparteitag der Anarchistischen Pogo-Partei Deutschland (APPD) am Ziegenmarkt und in der City. Und ein brechend voller Osterdeich bei Westerhagen am Samstag. Der Sommer ist – oder war – da. Die Stadt kriecht wieder aus den muffligen Winterquartieren und erobert die Straße – „reclaim your street“.
Freitag abend, 20.20 Uhr: Am Sielwall brummen die Marshall-Verstärker. Bremens „dienstälteste“ Punkband A.S.E. hilft, im Rahmen der bremenweiten Aktionswoche „city.crime.control“ den öffentlichen Raum zu besetzen. Mit „unkommerzieller Gegenöffentlichkeit“ wird abgerockt. Party auf dem Sielwall, Pogo auf der Straße. Selbst die Polizei hält sich aus dem öffentlichen Wohnzimmer der Viertel-BewohnerInnen zurück. Auch Punks dürfen Wohnzimmer haben. In dem wird dann nach A.S.E. zum Dosenschießen angepfiffen: Oster- gegen Steintorviertel. Schiedsrichter, die Polizei. Das Spiel geht unentschieden aus.
Samstag, 2.20 Uhr: Das Wohnzimmer wird zur Gummizelle. Am Sielwall treffen Polizei und Punks aufeinander – Bierdosen fliegen, Wahlplakate werden angezündet, die Polizei knüppelt – „destroy your street“ (vgl. Seite 21).
Samstag, 14.30 Uhr: Die APPD – seit dem Bundestagswahlkampf im Dauerdelirium – beschließt, sich selbst aufzulösen, mit dem „asozialsten Demonstrationszug“. Die parlamentarisch-demokratische Politik für den Pöbel ist tot, es lebe die parlamentarisch-demokratische Politik für den Pöbel – „reclaim your street“.
Samstag, 20.17 Uhr: Das Motto wird fortgeführt. Neben 43.000 AnhängerInnen von Westernhagen im Weserstadion erobern tausende AnhängerInnen des öffentlichen Wohnzimmers den Osterdeich. Sogar Innensenator Ralf – harter Hund – Borttscheller (CDU) wird gesichtet. Vornehmlich aber in der VIP-Loge. Der tatsächlich leger gekleidete Politiker, der öffentliche Wohnzimmer sonst eher ablehnt, amüsiert sich bei Musik und Show. Nur knapp entgeht ihm dabei der Sturz des Veranstalters KPS, der – unglaublicherweise ohne Jackett, dafür aber mit bis fast unter die Achseln hochgezogener Anzughose – beinahe über die Tribünenbegrenzung fällt – „reclaim your street“. Jeti
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
