Vergessen, die Gewerkschaftsleitung zu fragen

■ Beschäftigte der Umweltverwaltung sind zum Lohnverzicht bereit, ÖTV-Vorstand tobt

Der Gewerkschaft ÖTV ist gerade etwas ganz Schreckliches passiert. Über 500 Beschäftigte der Senatsumweltverwaltung wollen auf einen Teil ihres Lohnes verzichten, um KollegInnen vor der Kündigung zu bewahren. Die Gewerkschaftsleitung tobt. „Blödsinn“, schimpft ÖTV-Chefin Susanne Stumpenhusen. Denn die angestellten UmweltschützerInnen haben vergessen, vor ihrer Aktion die FunktionärInnen zu fragen und durchkreuzen nun die Strategie des Gewerkschaftsvorstandes, der in Verhandlungen mit dem öffentlichen Arbeitgeber Kündigungen verhindern will.

Die Umfrageaktion in der Umweltverwaltung hatte kürzlich deren Personalrat beschlossen, in dem auch Mitglieder der ÖTV sitzen. Die 1.050 Beschäftigten der Behörde konnten sich entscheiden, ob sie auf ein Prozent ihres Lohnes zugunsten gefährdeter KollegInnen verzichten wollen, diese Maßnahme nicht billigen oder andere Ideen haben. Das Ergebnis: Gut die Hälfte der Beschäftigten sprachen sich für den Lohnverzicht aus.

Ein Sturm der Entrüstung brach los. Die Urheber der Umfrage wurden zum Rapport bestellt, die ÖTV-Betriebsgruppe distanzierte sich vom Personalrat, und Basisgruppen aus anderen Verwaltungen schickten böse Faxe.

Ihre Kritik begründet ÖTV-Chefin Stumpenhusen damit, daß der eventuelle Erfolg einer derartigen Verzichtsaktion äußerst gering ausfalle. Würde ein Prozent Lohn umverteilt, behielte nur ein Beschäftigter zusätzlich seinen Job. Alleine in der Umweltverwaltung stehen aber schon jetzt 140 Stellen auf der Abschußliste – und es werden mehr. „Das muß man vorher doch mal durchrechnen“, empört sich Stumpenhusen. Für die richtige Strategie hält sie deshalb, für alle Beschäftigten des Senates eine gemeinsame Lösung zu erreichen und in normalen Verhandlungen durchzusetzen, daß Kündigungen ausgeschlossen bleiben.

Außerdem ärgert Stumpenhusen, daß der mögliche Lohnverzicht vom Personalrat nicht an eine entsprechende Arbeitszeitreduzierung gekoppelt wurde.

Der Personalrat betrachtet die Umfrage zum einen als symbolischen Akt, um einen „Diskussionsprozeß“ in Gang zu setzen, der die althergebrachten Konfliktmuster zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaft durchbrechen soll. Außerdem, heißt es, könne die Wirkung eines einprozentigen Lohnverzichts durchaus größer sein, würde die Maßnahme in allen Verwaltungen praktiziert.

Angesichts eines Personalhaushalts von immerhin 13 Milliarden Mark könnten mit einem Prozent (130 Millionen) rund 2.000 Stellen gerettet werden. Hannes Koch