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Pakistans Außenminister kündigt Indien Besuch an

Indien lehnt im Kaschmir-Konflikt Vermittlung der UNO ab. UN-Beobachter bisher wirkungslos  ■   Aus Delhi Bernard Imhasly

Indiens amtierender Premierminister Atal BehariVajpayee hat ein Vermittlungsangebot von UN-Generalsekretär Kofi Annan, das ihm der Generalsekretär am Samstag in einem Telefongespräch übermittelt hatte, zurückgewiesen. Er habe Annan nach Islamabad verwiesen, das den jüngsten Konflikt angezettelt habe, sagte Vajpayee am Sonntag. Dagegen hat Delhi das Angebot von Vajpayees Amtskollege Nawaz Sharif angenommen, den pakistanischen Außenminister Sartaj Aziz in die indische Hauptstadt kommen zu lassen. Allerdings mußte Islamabad dabei die Bedingung fallenlassen, daß die indischen Luftschläge im Norden Kaschmirs zuvor eingestellt würden. Indien, so meinte der Sprecher des Außenministeriums, werde seine Aktionen fortsetzen, bis der frühere Zustand wiederhergestellt sei.

Die kombinierten Boden- und Lufteinsätze gehen inzwischen mit Regelmäßigkeit weiter, wenn auch mit verminderter Intensität. Laut einem indischen Militärsprecher verfolgen Armee und Luftwaffe eine Strategie der Zermürbung, die gleichzeitig die Zahl der eigenen Opfer auf ein Minimum beschränken soll. Dies gilt besonders in der nun beginnenden Phase, wo es immer mehr zu Nahkämpfen kommt, die unausweichlich im Tod der unterlegenen Seite enden. Indien hat bisher offenbar keine Gefangenen gemacht. Es will im persönlichen Gepäck von getöteten Gegnern Dokumente gefunden haben, die ein weiteres Mal die Beteiliung pakistanischer Truppen beweisen sollen.

Die pakistanische Regierung weist diese Vorwürfe nach wie vor zurück. Gleichzeitig melden sich in Pakistan immer wieder militante islamische Organisationen, die mit Stolz die Verantwortung für die Besetzung indischen Geländes übernehmen. Ein Zusamenschluß von vier islamischen Gruppen, die allesamt Mitglieder von Osama Bin Ladens „Internationaler Islamischer Front für den Heiligen Krieg gegen die USA und Israel“ sind, wollen sich für diese neue Phase des Dschihad in Kaschmir zusammengeschlossen haben. Militär-Beobachter sind allerdings der Meinung, daß die überaus harten Bedingungen – die Besetzung und Befestigung von Positionen auf über 5.000 Meter Höhe bei Temperaturen von bis zu Minus 60 Grad – nur speziell trainierten und ausgerüsteten Einheiten zugemutet werden kann. In jedem Fall, so sagen sie, kann Pakistan die Verantwortung nicht loswerden.

Frustrierte UN-Beobachter im indischen Teil Kaschmirs

Das Gespenst heißt UNMOGIP und soll in den Bergen von Kaschmir herumgeistern. Doch gesehen hat es noch niemand, meinte ein Beamter in Srinagar lachend. Die Ironie ist gerechtfertigt: Die „United Military Observers Group in India and Pakistan“ ist zwar die älteste der vielen Beobachtermissionen in der Geschichte der UNO. Doch in Indien ist ihre Rolle mit den Jahren zur Beobachtung von Radio- und Fernsehberichten geschrumpft, die dann bei der lokalen Kommandatur auf ihre Richtigkeit überprüft werden. „Bei jedem Feuerwechsel zwischen der indischen und pakistanischen Artillerie bitten wir um Erlaubnis, den Ort des Geschehens zu besuchen, und dies wird uns ebenso routinemäßig verweigert“, meinte ein schwedischer Offizier.

Für einen Offizier muß es einer der frustrierendsten Jobs sein, bei der UNMOGIP in Indien zu dienen. Zwar sind es nicht weniger als 45, die gegenwärtig in Delhi, Srinagar und vier weiteren Orten Dienst tun. Doch seit 1972, als der Vertrag von Simla die Kontrahenten auf eine bilaterale Lösung verpflichtete, dürfen die Beobachter die „Line of Control“ zumindest auf der indischen Seite nicht mehr besuchen. In Pakistan ist die Bewegungsfreiheit weniger eingeschränkt. Der Grund für die unterschiedliche Behandlung ist einfach. Indien will jede Erinnerung an die UN-Resolutionen von 1949 auslöschen, denn diese hatten sie zu einem Plebiszit über die Zukunft Kaschmirs verpflichtet. Pakistan insistiert weiterhin auf deren Einhaltung. Es will die UNO als Vermittlerin und behandelt die Beobachter deshalb mit Samthandschuhen. Ein kleiner Trost für die in Indien postierten Offiziere: Sie tauschen oft Plätze mit den Kollegen jenseits der Kontrollinie.

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