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Alte Feindbilder leben wieder auf

Zehn Jahre nach dem Tiananmen-Massaker ist das Verhältnis zwischen China und den Vereinigten Staaten wieder auf einem Tiefpunkt  ■    Aus Washington Peter Tautfest

Noch im vergangenen Jahr haben Washington und Peking vom Ziel einer „strategischen Partnerschaft“ gesprochen und US-Medien gar einen „Pekinger Frühling“ ausgemacht. Doch jetzt droht Kalter Krieg. Die jüngsten Medienberichte in China und den USA bieten ein Bild, als sei die jeweils andere Seite das Reich des Bösen. Mißtrauen, Unterstellungen, innenpolitische Machtkämpfe und Fehler beider Seiten haben dazu geführt, daß die in den vergangenen zehn Jahren mühselig ausgebaute Zusammenarbeit jetzt wieder eingefroren wurde.

In den USA erwecken Politiker der Republikaner den Eindruck, als wollten sie mit ihrer Kritik an China vor allem US-Präsident Bill Clinton treffen. Der hatte selbst im Wahlkampf 1991 die Chinapolitik seines republikanischen Vorgängers George Bush, eines Ex-Botschafters in Peking, als zu nachgiebig gegeißelt. Erst als Präsident schwenkte Clinton dann auf einen pragmatischen Kurs.

Vergangene Woche belastete ein parlamentarischer Untersuchungsbericht, der umfangreiche chinesische Atomspionage und amerikanische Nachlässigkeit feststellte, das Verhälnis weiter. Zuvor waren in China Studenten auf die Straße gegangen. Doch anders als vor zehn Jahren brachten die Demonstranten keine Nachbildung der Freiheitsstatue auf den Pekinger Tiananmen-Platz, sondern warfen mit Farbbeuteln auf US-Vertretungen. Chinas Demonstranten und Regierung eint der Zorn auf den Nato-Angriff auf die chinesische Botschaft in Belgrad. In Peking bekamen die Hardliner Oberwasser, die den USA schon immer vorwarfen, China klein halten zu wollen.

Für die Amerikaner wird das Verhältnis auch durch die harten Urteile gegen die Gründer einer unabhängigen Partei und eine Wahlkampfspendenaffäre belastet. China hingegen wertet den Streit um seinen WTO-Beitritt, der trotz eigener Zugeständnisse nach wie vor ungelöst ist, und US-Pläne für ein raketengestütztes Abwehrsystem als Hegemoniestreben. Weiterer Ärger droht, wenn der Kongreß in Washington demnächst über die jährliche Verlängerung der Meistbegünstigungsklausel entscheiden muß, die China im Handel mit den USA die gleichen Rechte einräumt wie anderen.

Der chinesische Dissident Wei Jingsheng, der heute an der New Yorker Columbia University arbeitet, stellt das Verhältnis in einen alarmierenden Zusammenhang: „Die Partei- und Staatsführung Chinas fördert heute einen aggressiven Nationalismus, der sich nicht mehr nur gegen die Demokratiebewegung im Lande, sondern auch gegen ausländische Geschäftsleute richtet und der leicht in einen Faschismus chinesischer Prägung ausarten kann. Die Welt sollte nicht wieder tatenlos abwarten, bis die Dinge so stehen wie heute auf dem Balkan.“

Amerikanische Chinakenner betonen hingegen die Fortschritte, die bei der Verwirklichung der Menschenrechte in China im Kleinen gemacht wurden. „Amerikaner erkennen die Änderungen in China nicht, weil sie so schnell und ungleichzeitig vonstatten gehen und weil das Land so groß und komplex ist“, sagt Li Cheng, Professor für Politik am New Yorker Hamilton College. „Chinesen hingegen unterschätzen den Einfluß, den Bürgerinitiativen, Menschenrechts- und religiöse Gruppen in den USA haben. Nicht alles, was in Amerika über China gesagt wird, ist Regierungsmeinung.“

Inzwischen hat in den USA in der Frage mutmaßlicher Atomspionage eine entspanntere Einschätzung die Oberhand gewonnen. Wahrscheinlich wird es nicht zum Kalten Krieg kommen. Denn anders als die UdSSR der 50er Jahre ist China heute mit der Weltwirtschaft eng verflochten, was im Interesse amerikanischer Investoren und Konsumenten ist.

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