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EU auf dem Irrweg zur Militärmacht

Die gemeinsame europäische Sicherheits- und Außenpolitik ist auf militärische Instrumente verengt  ■   Von Andreas Zumach

Genf (taz) – „Das ist die Stunde der Europäer.“ Im Juni 1991 reklamierte der damalige EG-Ratsvorsitzende, Luxemburgs Außenminister Joop, den Anpruch der EG-Staaten, durch eine gemeinsame Außenpolitik den eskalierenden Konflikt in der Jugoslawischen Föderation unter Kontrolle zu bekommen und zur politischen Lösung beizutragen. Der Anspruch – von den USA verstanden als Signal, sich aus dem Konflikt rauszuhalten – geriet zum bislang größten Desaster der (west-)europäischen Integration. Wenige Tage nach Joops kühnem Spruch begann der Krieg in Slowenien, acht Wochen darauf in Kroatien, zehn Monate später kam es zu Krieg, Vertreibung und Völkermord in Bosnien-Herzegowina. Der Rest ist bekannt.

Mit ihrem Kölner Beschluß zur Stärkung der gemeinsamen Europäischen Sicherheits-und Verteidigungpolitik nimmt die EU jetzt einen neuen Anlauf. Der jugoslawische Zerfallsprozeß – mit dem Kosovo-Krieg derzeit in seiner vorerst letzten Runde – ist zwar nicht ursächlicher Anlaß für den Beschluß, dient aber wesentlich zur Begründung. Laut Beschluß will sich die EU in den kommenden Jahren zum „Krisenmanagement“ auf dem europäischen Kontinent befähigen. Die vor 50 Jahren gegründete, bislang aber weitgehend bedeutungslose Westeuropäische Union (WEU) soll bis zum Jahr 2.000 in die EU eingegliedert und deren militärischer Arm werden. Wie bereits beim Nato-Gipfel Ende April beschlossen, wird mit dieser Entwicklung eine „Stärkung des europäischen Pfeilers“ innerhalb der Transatlantischen Allianz angestrebt.

Die europäischen Staaten sollen künftig in der Lage sein, sich unter Nutzung von Nato-Ausrüstung, -Waffen und -Logistik auch ohne US-Beteiligung bei militärischen Konfliktpräventionen und Krisenmanagements in Europa zu engagieren. Bedingung bleibt aber die vorherige Zustimmung der USA in der Nato. Die Allianz „bleibt die Basis für die kollektive Verteidigung“ ihrer Mitgliedsstaaten im Fall eines Angriffs von außen, heißt es im Gipfelbeschluß. EU-Staaten, die nicht zugleich Nato-Staaten sind ( derzeit: Österreich, Irland, Schweden und Finnland) sollen sich „voll und gleichberechtigt“ am „effektiven Krisenmanagement der EU beteiligen können“. Allerdings unterliegen diese Länder nicht der im Nato-Vertrag vorgesehenen automatischen Beistandspflicht bei einem Angriff von außen.

Mit ihrem Kölner Beschluß verpflichten sich die EU-Staaten den „Aufbau gemeinschaftlicher Militärstrukturen auf der Basis existierender nationaler, binationaler und multinationaler Fähigkeiten zu entwickeln“. Dafür sei es „erforderlich, die nationalen und multinationalen europäischen Truppen anzupassen, auszubilden und zusammenbringen“. Eine Umsetzung der Kölner Gipfelbeschlüsse würde die Rüstungsetats der EU-Staaten erheblich aufblähen und die gemeinsame Außenpolitik weiter auf militärische Konzepte und Instrumente verengen. Für eine Außenpolitik mit präventiven zivilen, diplomatischen und wirtschaftlichen Instrumenten wären dann noch weniger materielle Ressourcen und politische Energien vorhanden als heute.

Zur Begründung dieser Weichenstellung muß der Kosovo-Konflikt herhalten. Bei ihrem Treffen Mitte Mai in Bremen erklärten die Außen- und Verteidigungsminister der WEU die von ihnen konstatierte „mangelnde Handlungsfähigkeit“ Europas im Kosovo-Konflikt nicht mit politischem Versagen und dem Mangel an rechtzeitiger, präventiver Intervention mit politisch-wirtschaftlichen Instrumenten. Sie bezogen sich vielmehr auf die „europäischen Defizite bei der militärischen Aufklärung, dem strategischen Lufttransport, der Führung gemeinsamer militärischer Operationen sowie bei der Rüstungszusammenarbeit“. Bundesaußenminister Joschka Fischer forderte eine „rasche Überwindung dieser Defizite“. Die Europäer müßten „in die Lage versetzt werden, auch ohne ihre transatlantischen Partner Krisen zu bewältigen“.

Deshalb soll jetzt auf all den als „defizitär“ vermerkten Gebieten der Rüstung und militärischen Aufklärung mit den USA gleichgezogen werden. Das weitverbreitete Unbehagen und die – notwendige – Kritik an Rolle und Interessen der USA im Kosovo-Konflikt und insbesonders ihrer Dominanz im Luftkrieg gegen Restjugoslawien hat diese Variante der „Emanzipation“ und der „Stärkung“ Westeuropas inzwischen auch für viele akzeptabel gemacht, die sich vormals für eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU mit vorrangig zivilen Mitteln engagiert hatten. Gegen die Entwicklung zur „Militärmacht Europa“, die mit den Kölner Gipfelbeschluß vorangetrieben wird, gibt es in den 15 EU-Staaten derzeit nur noch Kritik bei Teilen der Grünen Parteien, wenigen Sozialdemokraten sowie bei einigen kommunistischen Nachfolgeparteien wie der PDS in Deutschland.

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