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Donner und Blitz

Nichts schätze der Wiener mehr, sagt das Klischee, als eine „schöne Leich'“. Noch schöner wird es, wenn gleich zwei Todestage zusammenfallen. Nicht genug, daß der Tod von Johann Strauß Sohn am 3. Juni genau hundert Jahre zurücklag. Noch einmal fünzig Jahre früher, am 25. September 1849, raffte der Scharlach den gleichnamigen Vater des „Walzerkönigs“ dahin. Dessen „Radetzkymarsch“ ist zwar weniger subtil als die meisten Werke seines Filius, aber bis heute nicht weniger populär. Und vor 125 Jahren, am 5. April 1874, ließ Sohnemanns Fledermaus im Theater an der Wien zum ersten Mal das Geld in der Kasse klimpern.

Ein Geräusch, das auch der Wiener Tourismusverband gern hört. Deshalb soll die Stadt im Strauß-Jahr wieder „punkten“, und zwar „als die attraktive Event-Metropole in Central Europe“. Zu diesem Zweck hat der Verband eine 56seitige Broschüre zum „Jahr des Walzerkönigs in Wien“ herausgegeben. Sie enthält ein Kalendarium der Veranstaltungen mit Strauß-Bezug und kann von Deutschland aus unter der Telefonnummer (0 89) 66 67 01 00 angefordert werden. Wem das alles zuviel ist, der kann den Kopf in den Sand stecken und im Souvenirshop den Vogel Strauß „Johann“ als Plüschkuscheltier erstehen.

Die Fledermaus-Interpretation von Jürgen Flimm (Regie) und Nikolaus Harnoncourt (Dirigent), die im Mai bei den Wiener Festwochen herauskam, ist erst im Dezember wieder zu sehen – im Opernhaus Zürich. Dafür hat die Wiener Volksoper einen opulenten Zigeunerbaron im Repertoire, den Regisseur David Alden mit Strömen von Schweineblut übergoß. Auch mit einer neuen Fledermaus wartet das Haus auf. Beide Produktionen stehen aber erst im Herbst wieder auf dem Spielplan. Die Sommerpause wird im Theater an der Wien mit der Strauß-Operette Wiener Blut überbrückt. Aber auchBerlin bleibt nicht ungeschoren: Kommenden Freitag dirigiert Harnoncourt ein Strauß-Konzert der Wiener Philharmoniker auf dem Bebelplatz.

Alle 550 Strauß-Werke im Druck oder Orginal, dazu Hausorgel und Taktstock, Fotos und Gemälde zeigt die Ausstellung „Johann Strauß. Unter Donner und Blitz“ im Historischen Museum der Stadt Wien am Karlsplatz. rab

Literatur: Anton Mayer, Johann Strauß. Ein Pop-Idol des 19. Jahrhunderts. Böhlau-Verlag, Wien 1998, 39,80 Mark; Norbert Linke, Johann Strauß. Rowohlt-Taschenbuch, Reinbek 1982, 12,90 Mark

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