: „Friedensplan mit Leben füllen“
■ Österreichs Außenminister Schüssel glaubt an ein schnelles Kriegsende
taz: Die Staats- und Regierungschefs haben sich gestern nacht mit EU-Vermittler Martti Ahtisaari getroffen. Wurde es eine Freudenfeier?
Wolfgang Schüssel: Nein, es war wie immer ein absolutes Working Dinner. Wir haben lang gearbeitet und wenig gegessen.
Was war die Einschätzung: Hat Miloevic bedingungslos kapituliert?
Wenn alles so umgesetzt wird, wie es uns der finnische Präsident Ahtisaari gesagt hat – ja.
Bill Clinton war deutlich skeptischer. Woher nehmen Sie soviel Vertrauen in das Wort eines als Kriegsverbrecher angeklagten Staatschefs?
Ich vertraue dem Wort von Präsident Ahtisaari. Und die Texte, die er präsentiert hat, sind gute Texte, denen vertraue ich. Die Umsetzung ist dann der Schritt von der Theorie zur Praxis. Da verstehe ich jeden, der bis zum allerletzten Augenblick skeptisch bleibt.
Die USA scheinen mit einem Bombenstopp keine Eile zu haben. Denken Europäer und Amerikaner da in zwei Geschwindigkeiten?
Nein, ich glaube, daß jetzt sehr schnell die Gespräche mit den Nato-Militärs zu führen sind. In der Zwischenzeit sind die Bombardements zurückgenommen. Die Chance ist absolut gegeben, daß man die Vereinbarung sehr schnell in einen lebendigen Friedensplan umsetzt. Jetzt ist sie noch Papier.
Ahtisaari rechnete gestern mit einem Bombenstopp binnen drei bis vier Tagen. Ist das zu optimistisch?
Ich glaube, daß man Ahtisaari zutrauen kann, daß er realistisch einen Zeitplan nennt. Er ist kein Mann, dem Miloevic etwas vormachen kann.
Es konnte der Eindruck entstehen: Die Bomben waren amerikanisch, die Diplomatie europäisch. Ist dies der erste Fall einer Konfliktlösung in Europa, bei der die USA nur eine Nebenrolle spielen?
Das ist eine absolute Fehlinterpretation. Es war eine gemeinsame militärische Aktion der Nato, es war genauso eine gemeinsame diplomatische Aktivität. Monatelang haben Amerikaner, Russen und Europäer zusammengearbeitet. Es wäre ganz falsch, würde man jetzt die Amerikaner ausblenden.
Nach der Mission von Ahtisaari und Tschernomyrdin sind Widersprüche zwischen Russen und Nato aufgetreten. Konkret geht es um die Frage der Kommandostruktur für eine Kososvotruppe. Müssen die Russen sich dabei dem Nato-Befehl unterordnen?
Nein, das heißt es nicht. Darüber ist ein gesonderter Vertragstext abzuschließen zwischen den Russen und der Nato.
Inwieweit ist es für den Wiederaufbau Jugoslawiens ein Hindernis, daß man in Miloevic einen als Kriegsverbrecher angeklagten Partner hat?
Das wird sich Jugoslawien überlegen müssen. Die Spielregeln sind so: Jedes Land der Welt ist verpflichtet, einen solchen Kriegsverbrecher zu verhaften. Ich bin nicht sicher, ob das den Serben auf Dauer gesehen verborgen bleiben wird. Ich glaube, daß die Entscheidung des Gerichtshofes für Miloevic langfristig auch das Ende seiner politischen Karriere ist.
Aber ist er nicht paradoxerweise durch die Vereinbarung mit Ahtisaari international gestärkt worden?
Ich hoffe, daß der Frieden gestärkt wurde. Und ich werde mich nicht vom Glauben abbringen lassen, daß Serbien einen Platz in Europa haben muß.
Interview: Patrik Schwarz
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