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Real-Sozialistisches Ergebnis für SPD-CDU

■ Fortsetzung der Großen Koalition wahrscheinlich / Rechnerisch auch Rot-Grün möglich / DVU über Bremerhaven drin / AfB an fünf Prozent gescheitert

Es waren die Stunden des Erfolges für die Befürworter einer neuerlichen Großen Koalition der CDU und SPD. Der Rot-Grün–Befürworter und SPD-Landesvorsitzende Detlev Albers war der erste, der um kurz nach 18 Uhr vor die Kameras gezerrt wurde. „Ich hüte mich, mich festzulegen, bevor ich etwas greifbares zur Hand habe“ verstecke er eher mühsam seine Entäuschung. Helmut Zachau von den Grünen wurde deutlicher: „Die Große Koalition hat die politische Kultur zerstört“, sagt er in seinem ersten Statement.

Schon wenige Minuten nach den ersten Prognosen fand sich niemand mehr, der noch an eine – rechnerisch mögliche – rot-grüne Koalition glaubte. Zu deutlich hatte sich Henning Scherf in den vergangenen Wochen für eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU ausgesprochen. Zwar schätzen SPDler, daß eine überwiegende Zahl der neuen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Befürworter von Rot-Grün sind. Daß sie sich gegen den Publikumsliebling Scherf durchsetzen oder gar putschen, ist aber unwahrscheinlich. Nicht zu sorgen schien Scherf, daß damit die rot-grüne Bundesregierung doch nicht ihre Mehrheit im Bundesrat zurückerobern wird: „Gerhard Schröder kann mit uns rechnen“, sagte er in die Fernsehkameras.

Bei den Grünen überwog verständlicherweise die Entäuschung. „Mit 10 Abgeordneten bekämen wir nicht einmal einen Untersuchungsausschuß hin“, sprach ein Grüner in einer Live–Schaltung von der Grünen-Wahlparty. Grünen-Fraktionsvorstand Dieter Mützelburg machte die Wahlenthaltung der Grünen-Klientel für den Verlust von rund vier Prozent der Stimmen verantwortlich: In seinem Wahllokal im Viertel, traditionelle Grünen-Hochburg, habe die Wahlbeteiligung um 17 Uhr bei ganzen 30 Prozent gelegen. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung unter 60 Prozent.

Spitzenkandidatin Helga Trüpel gab die Hoffnung auf eine rot-grüne Koalition noch nicht ganz auf: „Wir stehen zu unserer Wahlaussage. Jetzt ist es an der SPD, sich zu verhalten“.

Die sichtlich entäuschte PDSlerin Martina Renner kommentierte: „Es gab in dieser Stadt nie auch nur die leiseste Chance für eine rot-grüne Mehrheit“. Die nun wahrscheinliche Koalition der CDU und SPD werde „das politische Klima dieser Stadt nachhaltig schädigen“, gab sie sich pessimistisch. Den Mißerfolg der PDS erklärte sie damit, daß ihre Partei in den alten Bundesländern „wohl immer noch Zeit braucht, um ihr Profil als Oppositionspartei zu bilden.“

„So schön hätte der Sozialismus das nie hinbekommen“, kommentierte die grüne Ausländerbeauftragte Marieluise Beck gegegenüber der taz die erschlagende Übermacht der wahrscheinlich neuen Koalition. Auch nach der zweiten Hochrechnung wollte sie noch immer „Abwarten und Teetrinken“. Landesvorstandssprecher Hucky Heck fasste zusammen: „Wenn die beiden großen Parteien jetzt ihre Geschäftsstellen zusammenlegen, dann müssen wir uns wirklich Sorgen machen.“ cd

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