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Mädchen im Schatten von Politikerinnen

■ Ein Workshop sollte Schülerinnen zu parteipolitischem Engagement ermutigen

„Hier in Berlin, ohne Männer, sieben Tage lang“, singen die 23 Schülerinnen aus der ganzen Republik zum Abschied am Samstag abend. Eine Woche lang waren sie nur mit Frauen zusammen – schon allein das sei eine gute Erfahrung gewesen, freuen sich die Teilnehmerinnen des Politikworkshop „It's our turn“. Das erstmals von der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin in Zusammanenarbeit mit der Technischen Universität Berlin organisierte Projekt soll junge Frauen dazu anregen, parteipolitisch aktiv zu werden.

Hauptprogrammpunkt der Woche war deshalb „Shadowing“: Einen Tag lang durften die Mädchen einer Politikerin wie ein zweiter Schatten folgen. „Sie haben einen ganz normalen Arbeitstag erlebt“, berichtet Arbeitssenatorin Gabriele Schöttler (SPD), die von zwei Schülerinnen begleitet wurde. Auch die wenig glanzvollen Seiten des Politikerinnenlebens haben sie so kennengelernt: „Die Arbeit in den Ausschüssen war sehr langweilig“, erzählt Anne Grossart, die die Senatorin begleitete. Aber mit der Spitzenpolitikerin habe sie sich „super verstanden“ – schnell duzten sie sich und beschlossen den Tag mit einem Drink auf dem Ku'damm. Auch die Senatorin ist begeistert: „ Ich hatte zwei Supermädels. Daß sie es neben dem vollen Programm geschafft haben, noch Projekte zu verfolgen, zeigt, wieviel Frauenpower hier versammelt ist.“

Den Besuch einer Debatte im Abgeordnetenhaus verarbeiteten die potentiellen Jungpolitikerinnen in einem Kabarettauftritt am Abschiedsabend mit einer „realistischen“ Darstellung: Die Abgeordneten lesen Zeitung, blättern in Reisebroschüren, machen schlüpfrige Bemerkungen über die Kolleginnen. Und als über ein Frauenprojekt abgestimmt wird, sind sie über die Fraktionen hinweg einstimmig dagegen.

„Vielen Mädchen und Frauen fehlt es immer noch an Selbstbewußtsein. Sie denken viel zu sehr darüber nach, was sie alles verkehrt machen könnten“, sagt Ann-Kristin von Jaschke. Sogar die gestandenen Politikerinnen hätten zugegeben, heute noch nervös vorm Rednerpult zu stehen.

Enttäuscht waren die Mädchen von den anwesenden Vertreterinnen der Jugendorganisationen der Parteien. Sie hätten keinerlei Tips gehabt, wie man als Frau den Einstieg in die Politik schafft: „Die haben sich nur gegenseitig bekriegt und wollten uns anwerben“, kritisiert Andrea Raub.

Für Marion Zeßner, die an der Europäischen Akademie die Woche der Schülerinnen organisiert hat, ist überraschend, wie sehr die Mädchen den „Kontakt mit Gleichgesinnten genossen haben“. Zu Hause würden sie sich mit ihrem Engagement oft allein und unverstanden fühlen. „Wir versuchen, eine Art Netzwerk aufzubauen, das den Mädchen die Möglichkeit gibt, sich weiterhin auszutauschen. Wir wollen, daß sie sich in ihrem Engagement gegenseitig unterstützen und motivieren, politisch aktiv zu werden.“ Doch bei einigen erreichte sie das Gegenteil. So beschloß Nike Wessel nach dem Shadowing, nicht Politikerin werden zu wollen: „Man hat überhaupt kein Privatleben mehr und muß sich dann noch ständig von Leuten angreifen lassen.“ Julia Weidenbach

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