: Mit Murdoch tanzen, aber die Führung behalten
■ Fusion in Frankreich: Netzkonzern Vivendi robbt sich an den Medienzaren heran
Es gibt Ehen, die sind in Frankreich schon aus Gründen der nationalen Ehre unmöglich: Als im März über eine Fusion der beiden größten Pay-TV-Riesen in Europa verhandelt wurde, des französischen Canal + mit Rupert Murdochs BSkyB, da fürchtete die Regierung in Paris um die Kultur. Murdochs Londoner Monopolfirma dürfe niemals Kontrolle über den einheimischen Medienriesen bekommen. Die französische Braut hängte das Aufgebot schon in der Flirtphase wieder ab.
Nun aber haben die französischen Eltern von Canal + ihre Angelegenheiten sortiert, und da sieht es wieder ganz anders aus. Ein spektakulärer Plan des Großkonzerns Vivendi, der am Montag bekanntgegeben wurde, bringt die Sache mit der französisch-britischen Alliance wieder aufs Plazet. Bei der Transaktion stärkt vor allem der Pariser Netz- und Mischkonzern seine Macht auf Europas Medienmarkt – besonders beim Pay-TV. Vivendi wird nach Abschluß der Transaktion den größten Teil des Kino- und Medienkonzerns Pathé übernehmen. Die wichtigsten Resultate des Deals, der noch den Segen der Aktionäre und der Kartellaufsicht braucht: Zum ersten baut Vivendi seine Kontrolle über Canal + aus (auf über 40 Prozent). Zweitens wird Vivendi mit der Übernahme von 17 Prozent der nach Murdoch zweitgrößte Aktionär bei BSkyB.
Mit der Übernahme nähere sich sein Konzern dem „Ziel, einer der Hauptakteure im europäischen Medienmarkt zu werden“, freute sich Jean-Marie Messier, der machtbewußte Vivendi-Boß. Er habe zwar noch nicht mit Murdoch geredet, aber er schlage vor, die Verhandlungen über eine umfängliche Zusammenarbeit mit BSkyB wieder aufzunehmen. Auch wenn Experten nur unsichere Chancen für eine solche Allianz sehen, die in Europas Pay-TV nur noch dem Konglomerat von Leo Kirch und Silvio Berlusconi gegenüberstände: Messier will mit Murdoch tanzen, aber nur, wenn er führen kann.
In der Form gefallen die Pläne auch den Pariser Industriepolitikern, die sich, unabhängig von der Partei, seit jeher einen richtigen Medienriesen wünschen – auf daß kein Bertelsmann und keine Disney-Maus die nationale Bewußtseinsindustrie kontrolliere. Auf dem nationalen Markt kann der Vivendi-Boß nun die Medienübertragungswege ebenso bündeln wie die Inhalte: Der Deal, so Messier, „ermöglicht es Vivendi, Verbindungen zwischen Pay-TV, Internet und Telekommunikation zu entwickeln“. Auch die Pariser Medienökonomin Isabel Bourgeois glaubt: „Konvergenz ist der Leitgedanke dieser Fusion.“ Schließlich betreibt Vivendi Mobilfunk- und Festnetze für Telekommunikation und mit Bertelsmann den Internetprovider AOL.
Eine zuweilen von Bertelsmann angestrebte Allianz mit Vivendi bleibt aber unwahrscheinlich: Seinen 20-Prozent-Anteil an der Luxemburger Audiofina, die sich mit Bertelsmann die TV-Firma CLT-Ufa teilt, will Messier so bald wie möglich abstoßen
Einen Schock löste die Fusionsankündigung zunächst in der Redaktion der Pariser Libération aus: Das ehemals unabhängige Blatt gehört seit 1995 zu Pathé. Doch nach Abschluß der Transaktion blieben die Anteile bei Pathé-Hauptaktionär Jérôme Seydoux, beruhigte Libération-Herausgeber Serge July gestern. Lutz Meier
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