■ Nebenkriegsschauplätze: Wigwams werfen
Jens Paul Neugebauer ist Architekt. Nennen wir ihn einen Friedensarchitekten. Neugebauer hat eine Idee: Er möchte Friedenszelte bauen, „United Nations Peace Reminder“, wie er sie nennt, eisigblau leuchtende Wigwams, die er mit Fallschirmen abwerfen möchte über den Kriegsgebieten dieser Welt. Dann sollen sie mit asiatischer Origami-Faltkunst aufgebaut und mit Hilfe großer Stofftaschen in der Außenhaut, die sich je nach Standort mit Wüstensand oder Eis füllen und beschweren lassen, befestigt werden. In einem „symbolischen Akt der Koinhabitation“, so stellt es sich der 31jährige Mainzer vor, einer Art Friedens-WG, sollen UN-Mitarbeiter „verschiedener Rassen“ und Flüchtlinge zusammenleben in den Wurfzelten, die mit Kochgelegenheit, Toilette, Dusche, faltbarem Waschbecken, Solarventilatoren und Panoramafenstern aufs komfortabelste ausgestattet sind. Neugebauer verspricht sich einen dreifachen Friedenseffekt: Erstens funktionieren die Zelte als zusätzliche Flüchtlingsunterkünfte, zweitens schaffe das gemeinsame Wohnen per se Friedensatmosphäre und drittens werden die Zelte, die nachts leuchten sollen, ein weithin sichtbares Friedenserinnerungssymbol sein.
Es gibt das Finanzierungsproblem: 250.000 Mark kostet der Prototyp. Es haben sich schon Meditationsklubs bei ihm gemeldet, die das gern komplett finanzieren, doch der Friedenscamper will lieber „die Industrie in die Pflicht nehmen“, DaimlerChrysler am liebsten. Doch die schweigen.
Ganz im Gegensatz zum Verteidigungsministerium. Es hat Neugebauer bestätigt, die schönen Pläne „mit Empfehlung des Ministers“ an die UNO weiterzuleiten. Auch die Bischofskonferenz sagte spontan moralische und ideelle Hilfe zu.
Neugebauer sieht sich und sein Projekt, an dem er seit fünf Jahren bastelt, durch den Kosovo-Krieg im Aufwind. Beim nächsten Krieg soll massenhafter Abwurf schnellen Frieden bringen. Denn es sind nicht einfach Zelte, die da abgeworfen werden, so der Mainzer, „das ist eine Weltanschauung.“ Volker Weidermann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen