: Kurden widersprechen Ausweisung
■ Innensenator Werthebach (CDU) prüft Ausweisung von 45 Kurden. Ein Dutzend Bescheide wurden schon erstellt. SPD: „Windei“. Grüne: „Politisches Wahlkampftheater“
Die Rechtsanwälte der an der Besetzung des griechischen und israelischen Konsulats beteiligten Kurden wollen Widerspruch gegen deren drohende Ausweisung einlegen. „Für fünf Kurden werde ich das tun, sobald die Ausweisungsbescheide vorliegen“, sagte Rechtsanwalt Martin Rubbert gestern gegenüber der taz. Er halte die Ausweisungen für „rechtswidrig und verfrüht“, weil die Ausländerbehörde so tue, als seien die Vorfälle an den Konsulaten alle aufgeklärt. Diese seien jedoch der Gegenstand der in der nächsten Woche beginnenden Prozesse.
Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hatte vor zwei Monaten angekündigt, Kurden, gegen die die Justiz meist wegen schweren Landfriedensbruchs ermittelt, aus Deutschland auszuweisen. Nach Angaben seiner Sprecherin Isabelle Kalbitzer würden derzeit 45 Kurden überprüft, gegen „rund ein Dutzend“ lägen bereits Ausweisungsbescheide vor. Damit die Kurden Deutschland dann aber tatsächlich verlassen, müssen sie erst ausgewiesen und dann abgeschoben werden.
Doch eine schnelle Abschiebung ist unwahrscheinlich: Wird gegen die Ausweisung, in der der Ausländer aufgefordert wird, in einer bestimmten Frist Deutschland zu verlassen, Widerspruch eingelegt und geklagt, könne man mit einem Urteil nach Rubberts Einschätzung erst nach „einiger Zeit“ rechnen.
Erst dann kann der Kurde formal in die Türkei abgeschoben werden. Praktisch ist aber auch das nur schwer möglich: Das Ausländerrecht in Verbindung mit der Europäischen Menschenrechtskonvention verbietet, Menschen in Staaten abzuschieben, in denen Tod oder Folter droht. „Dann muß natürlich geprüft werden, ob Gefahr für Leib und Leben besteht“, schränkte Kalbitzer die Möglichkeit der sofortigen Abschiebungen ein. Eine Ausweisung und eine Abschiebung kann ohne rechtskräftige Verurteilung erfolgen.
Der Sprecher der SPD-Fraktion, Peter Stadtmüller, nannte Werthebachs Vorstoß gestern ein „Windei“ und einen „kontraproduktiven Vorschlag, der die Öffentlichkeit in die Irre führe“. Der Innensenator wisse genau, daß er nicht so einfach abschieben könne. Wolfgang Wieland, der innenpolitische Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, bezeichnete Werthebachs Drohungen als „politisches Wahlkampftheater“. Die Kurden würden dringend für die juristische Aufklärung der Vorfälle am griechischen und israelischen Konsultat gebraucht.
Das sieht auch die Staatsanwaltschaft so, die sowohl bei den Ausweisungen als auch bei Abschiebungen der mutmaßlichen Straftäter einwilligen muß. „Bei den Ausweisungen bestehen keine Bedenken der Staatsanwaltschaft, da die Kurden dann ja noch nicht das Land verlassen“, sagte gestern Justizsprecher Matthias Rebentisch. Kein Okay würde die Staatsanwaltschaft derzeit bei Abschiebungen von Kurden geben, da diese noch in den Prozessen aussagen müßten. Ein solcher Antrag von der Ausländerbehörde liegt nach Angaben des Justizsprechers jedoch noch nicht vor.
Am Mittwoch nächster Woche beginnt das Hauptverfahren gegen den ersten Angeklagten. Der Mann soll einen Polizisten mit einer Eisenstange geschlagen haben. Im Juli sollen weitere Prozesse folgen. Julia Naumann
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