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Freispruch 1. Klasse

■ Amtsgericht lehnt Strafbefehl gegen Kritischen Polizisten Wüppesahl ab

Schallende Ohrfeige für Hamburgs Ermittlungsbehörden. Amtsrichter Siegfried Hübner hat den Erlaß eines Strafbefehls in Höhe von zehn Monaten Knast gegen den Kripobeamten und Sprecher der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer PolitzistInnen“, Thomas Wüppesahl, als „widersinnig“ abgelehnt. Staatsanwaltschaftssprecher Rüdiger Bagger kündigte Beschwerde an. Somit geht der Skandal um 72 geklaute Akten aus dem Dezernat Organisierte Kriminalität „Autodiebstahl und -schiebereien“ des Landeskriminalamts (LKA 234) in eine neue Runde.

Wüppesahl und sein mitbeschuldigter Kollege Herrmann Bünning wollen nun im Gegenzug Strafanzeige gegen den den früheren LKA-234-Chef Klaus Gneckow und die LKA-Spitze erstatten. „Der Einstellungsbeschluß geht runter wie Öl“, freute sich Wüppesahl gestern über die vorerst positive Entwicklung. „Der zehnseitige Beschluß ist ein Freispruch erster Klasse und eine herbe Niederlage für die Staatsanwaltschaft.“

Im April 1997 waren beim LKA 72 TÜV-Akten abhanden gekommen. Zunächst wurde der Sachbearbeiter Herrmann Bünning der Unterschlagung bezichtigt, das Verfahren aber schnell eingestellt. Wüpppesahl war zu diesem Zeitpunkt wegen seiner Kritik am Dezernat für Wirtschaftskriminalität in das LKA 234 strafversetzt worden.

Als im Sommer 1998 anonym einige geklaute Akten Presseorganen zugeschickt wurden, darunter auch Vorgänge, die gar nicht vermißt worden waren, geriet Wüppesahl in Verdacht, weil er zuvor den Datenschutzbeauftragten über die Aktenschlampereien in Kenntnis gesetzt hatte. Wüppesahls und Bünnings Wohnungen wurden vom „Dezernat Interne Ermittlungen“ (DIE) durchsucht, gefunden wurde aber nichts. Dennoch war Wüppesahl für die ermittelnde DIE-Beamtin weiterhin der Täter, weil er „jeglichen Mißstand der Polizei sofort zum Thema macht.“

Doch Richter Hübner glaubt dieser These nicht. Da Wüppesahl sich seiner Rolle als „Nestbeschmutzer“ in der Polizei durchaus bewußt sei, wäre er nicht so dumm, einerseits keine Fingerabdrücke und Speichelspuren, andererseits aber eine „analysefähige Schriftprobe“ zu hinterlassen.

Magda Schneider

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