: Auch die SPD will geschlossen die große Koalition
■ Unterbezirksdelegierte erinnerten an SPD-Wahlkampf-Forderungen
Auf zwei SPD-Unterbezirks-Parteitagen haben die Delegierten sich zum Wochenende dafür ausgesprochen, die Koalitionsverhandlungen mit der CDU fortzuführen, ohne mit den Grünen die Chance einer rot-grünen Koalition auch nur „sondiert“ zu haben. Bürgermeister Henning Scherf hatte zuvor betont, daß die Wähler die Fortsetzung der große Koalition erwarteten: „Eine Partei, die das übersieht, hat ein Problem.“ Im Unterbezirk Nord des innenpolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Jens Böhrnsen, sprach Scherf jetzt schon die Frage seiner Nachfolge an. Scherf-Vorgänger Klaus Wedemeie war nach einer Wahlniederlage abgetreten, davor hatte der frühere Bürgermeister Hans Koschnick mitten in der Legislaturperiode seinen Rücktritt erklärt, um dem Nachfolger Chancen einzuräumen, den Wahlkampf als bereits etablierter Bürgermeister zu führen. Böhrnsen gilt derzeit als aussichtsreicher „Kandidat“ für die Nachfolge Scherfs. Offen ist aber noch, ob er jetzt gegen Christian Weber für den Fraktionsvorsitz antreten will, um sich in diesem Amt als „Kandidat“ für die Scherf-Nachfolge zu bewähren.
Da die Delegierten auf die politische Situation zur Zeit wenig Einfluß haben, war auf dem SPD-Parteitag „Stadt“ am Freitagabend schon vom Jahr 2003 die Rede. „Der Wahlkampf hat jetzt begonnen“, so ein Delegierter. Auch der Landesvorsitzende Detlev Albers, der sich – wie Scherf früher – immer gegen eine große Koalition ausgesprochen hat, erklärte, diese Regierungsform ohne ernsthafte parlamentarische Opposition könne keine Dauerlösung sein. Andere Delegierte fürchten dagegen, im Jahr 2003 wäre Bremen „gefährdeter denn je zuvor“. Die Bund-Länder-Verhandlungen über die Neuregelung des Finanzausgleiches stünden dann vor der entscheidenden Phase, und Bremen sei angewiesen auf das bundesweite Wohlwollen aller Parteien; dann spreche möglicherweise noch mehr für eine große Koalition als derzeit.
Die Delegierten des Stadt-Bezirkes lehnten es ab, ihre Vorstellungen für die Koalitionsverhandlungen mit einem Zusatz zu versehen, der Verbindlichkeiten unterstreichen sollte. Nur „wichtige Eckpunkte“, die im Koalitionsvertrag „erkennbar“ sein müßten, wollten sie der Verhandlungsdelegation auf den Weg geben – offensichtlich, um viel Spielraum zu gewähren.
Unter diesem Vorsatz finden sich einige „Spiegelstriche“ im SPD-Wahlprogramm, die bisher nicht in der Koaltionsvereinbarung berücksichtigt wurden: „Ausrichtung des Investitionssonderprogramms (ISP) auf die alten Hafenreviere rechts der Weser“ etwa oder „keine weiteren Privatisierungen“. Dabei ist die „volle Halbtagsschule“ bereits abgelehnt worden – und die Kinderbetreuung während der „Schulöffnungszeiten“ soll nicht-unterrichtendes Personal leisten. Die SPD-Delegierten wollen sie dennoch als „wichtigen Eckpunkt“.
Im Streit ums Hollerland steht im Beschluß, daß die „Ausweitung des Technologieparks“ in Naturschutzflächen „ausgeschlossen“ bleibt; die Delegierten forderten den Bürgermeister jedoch nicht auf, darzulegen, welchen Sinn dessen „Einstieg in die Beratung“ über die Aufhebung des Naturschutzes dann macht – und zu welchem Ergebnis Scherf hier kommen will.
„Eine Bundesratsklausel, mit der die sozialdemokratisch geführte Bundesregierung bei der Realisierung wichtiger Reformvorhaben unterstützt wird“, sei „sicherzustellen“, hieß es außerdem. Scherf hatte den Delegierten aber zuvor erklärt, daß er die Koalitionsverhandlungen daran nicht „im Ernstfall scheitern lassen“ will. Im Gegenteil: Wenn die Bundesregierung die Bremer Stimmen nicht automatisch einrechnen könne, dann wäre aus Bremens Rolle als „Zünglein an der Waage“ vielleicht „meisterhaft etwas zu machen“. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen