: Querspalte
■ Mir graust vor dir!
Gerhard Schröder ist ein Phänomen. Manchmal redet Gerhard Schröder in Rätseln. Auf den Plakaten zur Europawahl etwa: „Geografisch gesehen ist Europa nur ein Kontinent – realistisch gesehen ist es die Zukunft.“ Dann denkt man ein paar Tage über den Gegensatz geografischer und realistischer Blicke nach. Da dem Bundeskanzler jedweder eurozentristische Rassismus sicher fern liegt, es sich also verbietet, die Feststellung „Geografisch gesehen ist Europa nur ein Kontinent“ mit einem witzelnden „wie Afrika, Asien und der andere Müll“ zu ergänzen, handelt es sich vermutlich um ein zenbuddhistisches „Koan“, einen in sich irgendwie absurden Satz also, der den Schüler zur Erleuchtung führt, wenn er nur lange darüber nachdenkt und beim Denken dann das Denken vergißt.
Im Wahllokal freute sich eine kleine Oma mit Wollmütze sehr, daß ich wählen ging. Von ähnlichen Erlebnissen berichteten auch andere. Wählen gehn ist immer schön! PDS tat gar nicht weh, auch wenn man sich manchmal wünscht, daß eine komische Partei gewinnt – die „PBC“ (Partei bibeltreuer Christen) etwa oder „die Naturgesetzpartei“. Die würden dann sicher eine unterhaltsame, originelle und sehr schräge Politik machen, und es wäre wieder „ordentlich was los“.
Ein ehemaliger KBW-Funktionär deutete allerdings kürzlich Erleichterung darüber an, daß der KBW (für die jungen Hüpfer: „Kommunistischer Bund Westdeutschlands“) in den siebziger Jahren nicht die Macht in Westdeutschland erobert hatte. Man sei ja doch möglicherweise ein bißchen zu stalinistisch drauf gewesen. Nach der Wahl sagte der Bundeskanzler übrigens, er wolle „die Erfolge der Außenpolitik nun auch im Inneren erreichen. Daran arbeiten wir weiter.“ Schröder, mir graust vor dir!
Detlef Kuhlbrodt
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