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Schäuble feiert still. Die CDU etwas lauter

Nach der Europawahl ist in der Union alles vom Glanz des Sieges überstrahlt. Von einer Krise will niemand mehr etwas wissen. Der CDU-Chef bleibt trotzdem vorsichtig  ■   Aus Bonn Bettina Gaus

„Da wird man ja fast geblendet von dem Scheinwerferlicht“, meinte Wolfgang Schäuble vergnügt. Dabei waren gestern nicht mehr Kamerateams zur Pressekonferenz des CDU-Vorsitzenden gekommen als an anderen Tagen auch. Aber vielleicht wurde der Raum einfach vom Glanz eines Sieges überstrahlt, den Schäuble als „außerordentlich“ bezeichnete und für den er inzwischen auch eine eindeutige Erklärung lieferte: Das Wahlergebnis „spiegelt wider, daß die Union neues Vertrauen in unserem Land gewonnen hat“. CDU-Generalsekretärin Angela Merkel freute sich besonders, „daß wir das Vertrauen vor allem in den neuen Ländern zurückgewonnen haben“.

Am Wahlabend hatte sich Schäuble noch nicht so recht festlegen mögen, ob denn nun die „desaströse Politik der Regierung Schröder“ oder die eigene Arbeit in der Opposition in erster Linie für den Erfolg verantwortlich zu machen waren. Gestern erklärte er selbstbewußt, die Union habe in den Augen der Bevölkerung „inzwischen wieder einen klaren Kompetenzvorsprung“. Der Trend sei bei ganz unterschiedlicher Wahlbeteiligung in den verschiedenen Bundesländern „überall gleich“ gewesen. Allerdings wolle er nicht bestreiten, daß „das Entsetzen und die Enttäuschung“ über die Regierungspolitik zum Ergebnis beigetragen habe.

Erst die eigene Leistung, dann das Versagen der anderen, lautete also die Parole. Bei der Siegesfeier hatte diese Frage noch kaum eine Rolle gespielt – Hauptsache, es gab überhaupt etwas zu feiern. In den letzten Jahren waren Wahlabende im Bonner Konrad-Adenauer-Haus oft trübe Veranstaltungen gewesen. Am Sonntag hingegen drängten sich die Wahlkämpfer, von denen viele mit Bussen angereist waren, in den Gängen und Sälen. Jede neue Hochrechnung wurde mit begeisterten Jubelrufen quittiert – gelegentlich auch mit der hochgereckten Faust, die ja gemeinhin einer anderen politischen Richtung vorbehalten ist.

Vor allem bei der Jugend habe die Union zugelegt, versicherten die auffallend vielen jungen Männer in dunklen Anzügen einander am Sonntag immer wieder. War die CDU je in der Krise? Ach was. Wenn überhaupt, dann ist sie längst bewältigt. Wolfgang Schäuble dürfte derlei Einschätzungen mit milder Ironie zur Kenntnis nehmen. Der CDU-Vorsitzende neigt nicht zur Euphorie. „Relativ kurz“ habe sich das Parteipräsidium gestern mit der Analyse der Wahl beschäftigt, betonte er. „Intensiv“ dagegen mit der künftigen Arbeit.

Ist der Reformprozeß der CDU, den Schäuble selbst für notwendig erklärt hat, jetzt abgeschlossen? „Wir haben mehrere große Erfolge in den letzten Monaten erreicht, aber das ist kein Grund, uns zurückzulehnen.“ Genugtuung erlaubt er sich vor allem da, wo das Wahlergebnis praktische Auswirkungen hat: Es bedeute, daß „gegen uns“ keine europäische Politik gestaltet werden könne. Die Bundesregierung wäre „klug beraten“, mit der Union das Gespräch über die Besetzung der EU-Kommission zu suchen (siehe unten).

Noch ist allerdings offen, ob Wolfgang Schäuble sich über jede Auswirkung der Europawahl freuen wird. Aus den Reihen der CSU, die 64,0 Prozent erzielte, wurden gestern erste Rufe laut, die kleinere Schwesterpartei solle den nächsten Kanzlerkandidaten stellen. Noch lehnt Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber derartige Spekulationen ab.

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