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Jede Region ist gesondert zu betrachten

■ betr.: „Nein in Jakarta“ von Helmut Höge, taz vom 8. 6. 99

[...] Die stakkatomäßige Aneinanderreihung nicht unmittelbar zusammenhängender Fakten legt Mißverständnisse in der Interpretation des Gelesenen nahe. So werden beispielsweise Konflikte in Ost-Timor, Aceh, Ambon, West-Kalimantan, Ost-Kalimantan und Irian Jaya über einen Kamm geschoren: „Dort bekriegt das indonesische Militär die Unabhängigkeitsbewegungen.“ In Wahrheit ist trotz gewisser Ähnlichkeiten jede dieser Regionen gesondert zu betrachten. In Ambon, West- und Ost-Kalimantan gibt es bislang keine Unabhängigkeitsbewegungen im eigentliche Sinne. Unruhen in den beiden erstgenannten Regionen ereigneten sich aufgrund sozialer Disparitäten zwischen Einheimischen und Zugewanderten. Diese bestehen zweifelsohne auch in Ost-Kalimantan, doch hier kam es bislang noch nicht zu Unruhen. In Ost-Timor dagegen wehrt sich ein Volk gegen die seit fast 24 Jahren andauernde völkerrechtswidrige militärische Besetzung und Annexion durch das indonesische Militär, während die Völker Acehs und West-Papuas (indonesisch Irian Jaya) die Loslösung von Indonesien anstreben, da sie unter der Ausbeutung ihrer natürlichen Ressourcen und der damit verbundenen militärischen Repression leiden. [...]

Völlig irreführend ist jedoch die Bildunterschrift zu dem Foto, das den Artikel illustriert. Dieses Foto von Dieter Lotze zeigt Anhänger der Partei PAN (Partai Namanat Nasional) von Amien Rais, die an der zentralen Wahlkampfveranstaltung letzte Woche in Jakarta teilnahmen. Jutta Lietsch beschrieb diese Veranstaltung in der taz vom 5./6. Juni 1999 treffenderweise als „Karneval der Parteien“. Bei allen Problemen und Risiken für die Demokratie in Indonesien war es ein Erfolg, daß alle 48 zur Wahl antretenden Parteien an diesem karnevalesken Umzug teilnahmen, ohne daß es dabei zu ernstzunehmenden Ausschreitungen kam.

Dieses Bild mit der Zeile „Demonstranten organisieren Riots in Jakarta – andere bekämpfen chinesische Ladenbesitzer wie ethnische Gruppen“ zu unterschreiben dürfte bei allen 48 Parteien, insbesondere aber bei der PAN, auf wenig Verständnis stoßen.

Organisierte Riots gegen die chinesischstämmige Minderheit, einhergehend mit Plünderungen, Brandstiftungen und Massenvergewaltigungen, ereigneten sich tatsächlich des öfteren – am schlimmsten im Mai 1998, wenige Tage vor dem erzwungenen Rücktritt von Diktator Suharto. Erschütterndes Bildmaterial über diese Vorgänge ist reichlich vorhanden. Es besteht somit kein Anlaß, das Bild einer friedlichen und ausgelassenen Wahlkampfveranstaltung mit den tragischen Ereignissen im Mai 1998 in Verbindung zu bringen. Alex Flor, Watch Indonesia, Berlin

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